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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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Jetzt spielte Benjamin Milton die Rolle des Squenz im breitesten Dialekt.
    «Sehr gut, Mr Milton, aber wäre ein rustikaler Dialekt nicht passender? Was meinen Sie?»
    «Leicht bäuerlich angehaucht, Miss Lamb? Denken Sie dabei an ein konkretes Vorbild?»
    «Haben Sie Professor Porsons Vorträge über das klassische Altertum gehört?»
    «Selbstverständlich. Im Freimaurersaal.»
    «Glauben Sie, Sie könnten ihn stimmlich imitieren?»
    Tizzy kam in den Garten und meldete, «der junge Mann» habe am Eingang nach Miss Mary gefragt.
    «Der junge Mann?», erkundigte sich Benjamin betont freundlich.
    Charles wies ihn mit einem raschen Blick in die Schranken, während Mary etwas verwirrt hinter Tizzy im leichten Sommerregen durch den Garten lief.
     
     
    Standhaft unterdrückte sie beim Betreten des Hauses das Bedürfnis nach einem kurzen Blick in den Spiegel. «Tizzy, du hast ihn doch nicht etwa auf der Straße stehen gelassen?»
    «Wo soll ich ihn denn sonst lassen? Ihre Mutter ist im Salon, und die Diele steht voller Stiefel.»
    Also ging Mary zur Tür und begrüßte William, der mit dem Hut in der Hand auf der obersten Stufe stand. «Tut mir schrecklich leid, Mr Ireland. Verzeihen Sie, dass ich – »
    «Ich kann nicht bleiben, Mary. Eigentlich wollte ich am Mittwochvormittag Southwark einen Besuch abstatten.» Er zögerte. «Sie wollten mitkommen. Erinnern Sie sich noch daran?»
    «Selbstverständlich erinnere ich mich daran. Ich wäre sehr dankbar.» Dieser Ausdruck passte nicht hierher. Einen Moment wandte sie den Blick ab. «Ich wäre entzückt. Am Mittwochvormittag?» Er nickte. «Ich werde es mir in meinen Kalender eintragen. Möchten Sie hereinkommen?»
    Jenseits aller Worte findet immer ein stummes Gespräch statt, das wusste William und damit auch, dass sie nicht wollte, dass er das Haus betrat. Außerdem konnte er Mrs Lamb hinter dem Vorhang wie einen Burgwächter hervorlugen sehen, der sich zur Abwehr eines Angriffs rüstete. «Das ist sehr nett von Ihnen, aber leider kann ich nicht. Ich habe es eilig.» Er streckte seine Hand aus, und sie ergriff sie. «Ich werde Sie abholen», sagte er. «Gegen neun Uhr vormittags?» Damit verließ er sie.
    Sie blickte ihm nach, wie er, noch immer mit dem Hut in der Hand, die Laystall Street hinunterging, direkt auf die Frauengruppe bei der Wasserpumpe zu.
    Mit einem Seufzer begab sie sich wieder ins Haus und hörte, wie ihre Mutter rasch an den Kamin trat. Eigentlich hatte Mary nicht mit ihr sprechen wollen, aber Mrs Lamb rief ihr zu: «Mary, hättest du einen Augenblick Zeit?»
    Wie gut sie diese klagende Stimme kannte.
    «Ja, Mama, was ist denn?»
    «Dieser junge Mann – »
    «Mr Ireland.»
    «Ebender. Dieser junge Mann muss schon einen Pfad zu unserer Tür getreten haben. Er kommt dauernd vorbei.»
    «Na und, Mama?»
    «Nichts. Ich habe ja nur gemeint.» Mary blieb stumm. «Mary, gehört es sich eigentlich, am Sonntagvormittag Theater zu spielen?»
    «Wir spielen nicht. Wir lesen nur laut einige Zeilen.»
    «Es regt deinen Vater auf. Sieh ihn nur an.»
    Mr Lamb lag, in Betrachtung einer Stubenfliege versunken, auf dem Diwan. Seit Marys Wutausbruch am Teetisch ging Mrs Lamb vorsichtiger mit ihrer Tochter um. Sie gestattete sich nur noch allgemeine Bemerkungen und «Beobachtungen» oder verwies bei besonderen Anlässen auf Mr Lambs Empfindungen.
    «Er hat den Sabbat stets geheiligt.»
    «Und warum seid ihr dann nicht in der Kirche?»
    «Mr Lambs Beine. Vielleicht geht es bis zum Abendgottesdienst wieder.»
    Mary hörte schon nicht mehr zu. Plötzlich war ihr im Kopf seltsam benommen zumute. Sie fühlte sich ganz leicht und musste sich an einer Sessellehne festhalten. Sie hatte das Gefühl, als hätte man ihr ein Loch in die Schädeldecke gebohrt und warme Luft hineingeblasen.
    «Er spricht zwar nie darüber, aber ich sehe doch, dass er wie ein Brauereipferd hinkt. Nicht wahr, Mr Lamb?» Mary vernahm Geräusche um sich herum und fuhr sich ungeduldig übers Gesicht. «Aber er möchte nicht jammern. Mary, was ist denn los?»
    Mary kniete sich auf den Teppich und lehnte den Kopf seitlich an den Sessel.
    Ihr Vater betrachtete sie und strahlte dabei vor Entzücken. «Der Herr hat’s genommen», sagte er.
    «Hast du etwas fallen lassen?»
    «Ja.» Langsam erholte sich Mary wieder. Sie starrte wie blind den Teppich an und murmelte: «Nur eine Minute. Eine Haarnadel.»
    «Ich wünschte, ich wäre noch so jung und könnte mich bücken. Wenn man vom Teufel spricht. Charles, hilf

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