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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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der Lampe.»
    «Holla, geschwind, und schon türmen sich die Goldmünzen um mich her. Deshalb schleicht er mir nach. Auf der Suche nach der Höhle.»
    «Aber warum vertraut er Ihnen denn nicht einfach?»
    «Vertrauen Sie mir denn?»
    «Selbstverständlich. Wenn Sie wollen, bekunde ich auf der Stelle, dass Sie ein Ehrenmann sind. Auf Sie würde ich überall heilige Eide schwören!»
    «Legen Sie dafür nicht die Hand ins Feuer.» Offensichtlich verblüffte ihn ihr heftiges Auftreten. «Sonst verbrennen Sie sich vielleicht noch die Finger.»
    Am Rand des Bürgersteigs spielte eine junge Frau barfuß Geige. Ihre blassen Lippen schienen sich im Takt zur Melodie von «Gesegnete Insel mein» zu bewegen. Die Suche nach halben Pennys oder einem Heller hatte sie vom Flussufer heraufgetrieben. Ihre rechte Gesichtshälfte war durch eine Geschwulst entstellt. Verwundert betrachtete Mary die junge Frau. Dann zog sie spontan ihre Geldbörse aus dem Handarbeitsbeutel und legte sie ihr vor die nackten Füße.
    Mit tränenüberströmten Wangen kam sie wieder und sagte: «Das kommt von fehlender Liebe.» Ein kleines Stück weiter passierten sie die Ruine des Templertores. «Aber was bedeutet das schon diesen Steinen?» Sie schaute hinunter, als würden die Fundamente tausend Klafter in die Tiefe reichen.
    Auf ihrem Rückweg spielte die junge Frau immer noch auf der Geige. Im Vorbeigehen umklammerte Mary Williams Arm, als fürchtete sie sich vor Vergeltung. Sie spazierten in den Pump Court hinein.
    Kaum waren sie außer Sichtweite, hörte die junge Frau zu spielen auf, packte die Börse, löste geschickt die Geschwulst von ihrem Gesicht und schob sie in die Tasche.

8
     
     
     
    «Das wird einige Tränen kosten bei einer wahrhaftigen Vorstellung. Wenn ich ‘s mache: Laßt die Zuhörer nach ihren Augen sehen. Ich will Sturm erregen.»
    Charles Lamb mimte in Anwesenheit der restlichen Truppe im häuslichen Garten an der Laystall Street den Zettel. Tom Coates war der Schnock, und Benjamin Milton übernahm die Rolle des Squenz. Sie hatten ihre Kollegen Siegfried Drinkwater und Selwyn Onions überredet, den Flaut und den Schnauz zu übernehmen. Außerdem hatten sie Siegfrieds Freund Alfred Jowett, der als Kontorist bei der Zollbehörde arbeitete, für die Rolle des Schlucker gewonnen. So saßen sie nun an diesem Sonntagvormittag in der kleinen Gartenlaube beisammen, die Mr Lamb vor zehn Jahren hatte errichten lassen, und probten ihren Text. Die Pagode war inzwischen leicht verfallen, die Farbe blätterte ab, und das Metall rostete vor sich hin. Trotzdem waren sie darunter vor dem leichten Sommerregen geschützt, der eingesetzt hatte, während sie ihre Rollen unter der Regie von Mary Lamb aufsagten.
    «Mehr Intonation, Zettel», erklärte sie ihrem Bruder. «Gib dem Text mehr Tiefe.»
    «Eigentlich habe ich doch das beste Genie zu einem Tyrannen, ich könnte einen Herkies kostbarlich spielen oder eine Rolle, wo man alles kurz und klein schlagen muß. Und dann kommt das Gedicht. Muss ich das auch aufsagen, Mary?»
    «Selbstverständlich, Bruderherz.»
    Tom Coates und Benjamin Milton hatten miteinander geflüstert. Als Mary «Bruderherz» sagte, schüttelten sie sich plötzlich stumm vor Lachen. Benjamin legte ein Taschentuch über den Mund. Es sah aus, als litte er Todesqualen. Charles beachtete beide gar nicht, aber Mary warf ihnen erst einen bösen Blick zu und erkundigte sich dann ganz beiläufig: «Was ist denn so komisch, meine Herren?»
    «Es soll doch eine Komödie sein, oder?» Tom konnte kaum sprechen.
    «Bruderherz, du gibst einen ausgezeichneten Zettel ab», konnte Benjamin gerade noch flüstern, dann krümmte er sich wieder vor unterdrücktem Gelächter.
    Siegfried Drinkwater wartete schon auf seinen Szenenauftritt und wurde allmählich immer ungeduldiger. «Bitte, könnten wir jetzt den Flaut proben? Sonst vergesse ich noch meinen Text.»
    «Es sind doch nur ein paar kurze Sätze», erklärte ihm Alfred Jowett. «Eigentlich gar nicht der Rede wert.»
    «Fred, ich werde sie vergessen, garantiert.»
    Siegfried Drinkwater war ein impulsiver junger Mann, der ständig von der glorreichen Vergangenheit seiner Familie träumte. Überall posaunte er herum, er stünde in der Thronfolge der Herren von Guernsey an siebter Stelle. Nicht einmal die Tatsache, dass es diesen Thron längst nicht mehr gab, brachte ihn in Verlegenheit. Seine Freundschaft mit Alfred Jowett war für die anderen ein Rätsel, denn Jowett war ein praktischer,

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