Wie Fackeln im Sturm
Bodensatz. In diesen unsicheren Zeiten hatte Hugh kein Verlangen, die kommenden Ereignisse zu kennen. Aber ob er es nun wissen wollte oder nicht, die Frau las unbeirrt weiter.
„Ihr werdet sie für Eure Leute heiraten, aber sie wird schon bald Euer Herz erobern.“
Bei dieser Aussage verzog er höhnisch den Mund, doch die Alte beachtete Hugh gar nicht und blickte weiterhin in den Becher. „Die Zukunft birgt viel Freude, Glück und viele Kinder … wenn Ihr das Rätsel löst.“
„Welches Rätsel?“ mischte sich Lucan atemlos ein. Hugh stieß einen spöttischen Laut aus, um seinem Gefährten zu bedeuten, sich nicht von der Vettel an der Nase herumführen zu lassen. Als die Frau indes den kobaltblauen Blick auf seinen Begleiter heftete, wurde dieser unruhig und fragte: „Nun, was geschieht, wenn er das Rätsel nicht löst?“
„Dann erwartet ihn der Tod.“
Hugh sah die Überzeugung in ihren Augen und schluckte voller Unbehagen. Dann lehnte sie sich zurück und deutete mit einer ungeduldigen Geste zur Tür. „Fort! Ich bin müde, und Eure Anwesenheit bereitet mir Verdruss.“
Die beiden Männer waren mehr als froh, der Aufforderung Folge zu leisten. Rasch verließen sie den düsteren Raum und traten erleichtert in das warme Licht der Nachmittagssonne.
„Nun?“ erkundigte sich Lucan, als sie zu ihren Pferden gingen.
Mit grimmiger Miene stieg Hugh in den Sattel und fragte: „Nun was?“
„Wirst du morgen zurückkehren, um sie zu holen?“
„Er wird zurückkehren“, ertönte eine Stimme.
Hugh drehte ruckartig den Kopf und bedachte die alte Frau, die offenbar von der Tür aus jedes einzelne Wort gehört hatte, mit einem finsteren Blick. Dann riss er wütend an den Zügeln, wendete sein Pferd und trieb es zu einem leichten Galopp, so dass Lucan Mühe hatte, ihn einzuholen.
Hugh musste sein Ross zügeln, als der dichte Wald begann; es gab keinen Pfad, der zur Hütte führte, und daher hatten sie die Kate der Hexe lange suchen müssen. Der leichte Trab ermöglichte es Lucan, endlich zu seinem Gefährten aufzuschließen. Sobald er seinen Freund eingeholt hatte, stellte er ihm erneut die Frage, ob er das Mädchen heiraten werde.
Hughs Züge verfinsterten sich zusehends. Das Zusammentreffen mit Lord Wynekyn und dem Advokaten war nur von kurzer Dauer gewesen. Kaum hatte er vernommen, er sei gezwungen, irgendein außerehelich geborenes Mädchen namens Willa zur Frau zu nehmen, hatte er einen wahren Wutanfall bekommen. Nachdem er seinem Zorn Luft gemacht hatte, war er unverzüglich nach Hillcrest geritten. Hugh verspürte beileibe nicht den Wunsch, diese junge Frau zu heiraten, aber er wusste nicht, wie er sich aus dieser Lage herauswinden sollte. Den Worten des Advokaten zufolge musste er diese Willa ehelichen, um sein Erbe antreten zu können. „Es entspricht nicht meinem Wunsch, aber ich fürchte, mir bleibt keine andere Wahl, wenn ich Hillcrest mein Eigen nennen möchte.“
„Aber man kann dir Hillcrest doch nicht vorenthalten“, gab Lucan zu bedenken. „Es gehört dir von Rechts wegen. Du bist der Nächste in der Erbfolge. Ob du das Mädchen nun heiratest oder nicht, man kann dir Hillcrest nicht verwehren.“
Bei dieser Bemerkung straffte Hugh die Schultern. „Ja, du hast Recht.“
„Fürwahr. Was gedenkst du also mit ihr zu tun?“ fragte Lucan. „Ich weiß es jedenfalls nicht.“
Beide schwiegen, und Hughs Laune verschlechterte sich wieder. Schließlich sagte er langsam: „Ich fürchte, dass ich mich um ihre Zukunft kümmern muss. Immerhin ist sie eine Verwandte.“
„Ja“, murmelte Lucan. Dann, als Hugh nichts weiter äußerte, schlug er zögerlich vor: „Vielleicht könntest du eine Hochzeit für sie arrangieren und dafür sorgen, dass es ihr an nichts fehlt.“
Hugh dachte kurz über den Vorschlag nach und nickte langsam. „Ja. Das könnte die Lösung sein. Vielleicht ist sie sogar jemandem ihres Standes von Herzen zugetan.“
„Ja, vielleicht.“
Hugh entspannte sich ein wenig und überlegte, wie er dieses Vorhaben am besten in die Tat umsetzen könnte. Eines stand fest: Das alte Weib durfte nichts davon wissen. Wenn die Hexe von seinem Plan erführe, würde sie ihn womöglich rasch zu verhindern wissen und Hugh in Schwierigkeiten bringen. Nun sah er keine andere Möglichkeit, als wenigstens den Versuch zu unternehmen, für das Wohlergehen des Mädchens zu sorgen. Wenn die Alte nichts anderes als die Heirat akzeptieren wollte … nun, dann würde sie eine Enttäuschung
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