Wie funktioniert die Welt?
Annahme belastet ist, mit relativer Leichtigkeit auf die richtige Lösung.
Oder aber man ist ein Fisch, wartet ein oder zwei Millionen Jahre und sieht sich an, was so alles kommt.
Nicholas A. Christakis
Kindermund …
Arzt und Sozialwissenschaftler, Harvard University;
Coautor (mit James Fowler) von Connected! Die Macht sozialer Netzwerke und warum Glück ansteckend ist
Nach meiner Lieblingserklärung habe ich schon als Junge gesucht. Warum ist der Himmel blau? Diese Frage stellt jedes Kleinkind, ebenso hat sie aber auch seit Aristoteles’ Zeit die meisten großen Wissenschaftler beschäftigt, darunter Leonardo da Vinci, Isaac Newton, Johannes Kepler, René Descartes, Leonhard Euler und sogar Albert Einstein.
An dieser Erklärung liebe ich – über die kunstlose Einfachheit der Frage selbst hinaus – besonders, dass es so viele Jahrhunderte dauerte, bis man sie gefunden hatte, und dass daran so viele Teilgebiete der Wissenschaft beteiligt waren.
Im Gegensatz zu anderen Alltagsphänomenen wie dem Sonnenauf- und -untergang gab die Farbe des Himmels selbst bei den alten Griechen oder Chinesen nicht den Anlass zu vielen Mythen. Es gab dafür nur wenige nichtwissenschaftliche Erklärungen. Erst nach einer gewissen Zeit wurde der blaue Himmel überhaupt zum Problem, aber als es so weit war, hielt er unsere (wissenschaftliche) Aufmerksamkeit gefangen. Wie kann die Atmosphäre farbig sein, wo doch die Luft, die wir atmen, farblos ist?
Soweit wir wissen, stellte Aristoteles als Erster die Frage, warum der Himmel blau ist. Seine Antwort gab er in der Abhandlung
Über Farben
: Dass die Luft in unserer Nähe durchsichtig und die tiefe Luft des Himmels blau ist, hat danach den gleichen Grund, aus dem auch eine dünne Wasserschicht klar ist, während ein tiefer Brunnen voller Wasser schwarz aussieht. Diese Ideen hallte noch im 13 . Jahrhundert bei Roger Bacon wider. Auch Kepler erfand noch einmal eine ähnliche Erklärung: Er vertrat die Ansicht, die Luft sehe nur deshalb farblos aus, weil ihre farbige Tönung in dünner Schicht so schwach ist. Keiner dieser Denker lieferte aber eine Erklärung dafür, warum die Atmosphäre ausgerechnet
blau
ist.
Leonardo da Vinci schrieb Anfang des 16 . Jahrhunderts im
Codex Leicester
: »Ich sage, dass das Blau, welches wir in der Atmosphäre sehen, nicht deren eigene Farbe ist; es wird vielmehr durch die erwärmte Feuchtigkeit verursacht, die zu winzig kleinen, nicht wahrnehmbaren Teilchen verdunstet ist, welche die Strahlen der Sonne anziehen und dafür sorgen, dass sie vor der tiefen, heftigen Dunkelheit der Region des Feuers, die über ihnen eine Schicht bildet, aufleuchten.« Aber leider sagt auch Leonardo eigentlich nicht, warum diese Teilchen ausgerechnet blau sein sollen.
Den nächsten Beitrag leistete Newton: Er fragte, warum der Himmel blau ist, und wies mit seinen wegweisenden Brechungsexperimenten nach, dass man weißes Licht in seine farbigen Bestandteile zerlegen kann.
Seit Newton kamen viele heute vergessene oder nur schwach erinnerliche Wissenschaftler hinzu. Warum könnte mehr blaues Licht in Richtung unserer Augen gebeugt werden? Im Jahr 1760 spekulierte der Mathematiker Leonhard Euler, die Wellentheorie des Lichts könne bei der Klärung der Frage, warum der Himmel blau ist, helfen. Im 19 . Jahrhundert gab es eine Fülle von Experimenten und Beobachtungen aller Art, von Beobachtungsexpeditionen auf Berggipfeln bis zu raffinierten Versuchen, den blauen Himmel in einer Flasche nachzubilden – aufgezeichnet sind sie in dem großartigen Buch
Sky in a Bottle
von Peter Pesic. Man stellte unzählige sorgfältige Beobachtungen der blauen Farbe an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Höhenlagen und zu unterschiedlichen Zeiten an, manche davon mit speziellen Instrumenten, die als Cyanometer bezeichnet wurden. Das erste Cyanometer erfand Horace-Bénédict de Saussure im Jahr 1789 . In seiner Version hatte es 53 kreisförmig angeordnete Abschnitte mit verschiedenen Blauschattierungen. Saussure war der Ansicht, irgendetwas, das in der Luft schwebt, müsse für die blaue Farbe verantwortlich sein.
Tatsächlich hatte man lange Zeit vermutet, irgendetwas in der Luft müsse das Licht abwandeln und blau erscheinen lassen. Schließlich erkannte man, dass die Luft selbst diese Wirkung hat – die Gasmoleküle, aus denen sie zusammengesetzt ist, sind entscheidend dafür, dass sie blau aussieht. Die Erklärung für die blaue Färbung des Himmels war also mit der
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