Wie funktioniert die Welt?
sind, die um die Sonne kreist, wobei die durchschnittliche Richtung der Drehachse im Verhältnis zu den Sternen wegen eines immer noch rätselhaften Erhaltungsgesetzes als konstant gelten kann.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Erklärungen, die ich ausgewählt habe, traf diese unter Wissenschaftlern jahrzehntelang auf Skepsis. Das heliozentrische Bild des Sonnensystems, das Kopernikus Mitte des 16 . Jahrhunderts formulierte, war bis weit ins 17 . Jahrhundert hinein nicht allgemein anerkannt. Für mich trägt der Triumph über die Kombination aus wissenschaftlicher Skepsis und religiöser Feindseligkeit noch einmal zum Reiz der Erklärung bei.
Eine andere Erklärung ist sicher elegant und steht hinter den wechselnden Farben des Himmels während des Sonnenaufganges. Lord Rayleigh war als Cavendish-Professor für Physik an der Universität Cambridge der Nachfolger von James Clerk Maxwell. Eine seiner ersten großen Leistungen war die Ableitung der Lichtbrechungsgesetze. Damit gelangte er auf Grund einer falschen Annahme – dass das Licht in einem elastischen Äther gestreut wird – zu einer richtigen Antwort. Dass der Äther nicht existiert, wurde erst einige Jahre später nachgewiesen, dann aber stellte Rayleigh neue Berechnungen mit Hilfe von Maxwells tiefgreifenden, vereinheitlichenden Theorien des Elektromagnetismus an. Als »Rayleigh-Streuung« bezeichnet man die Ausdrucksform dieser Theorien in einem Zusammenhang, in dem elektromagnetische Wellen auf elektrisch polarisierte Teilchen treffen, die viel kleiner sind als ihre Wellenlänge. Wie Rayleigh entdeckte, ist das Ausmaß der Streuung umgekehrt proportional zur vierten Potenz der Wellenlänge. Im Jahr 1899 hatte er gezeigt, dass Luftmoleküle das Licht sehr wirksam streuen.
Damit hatte er mit einem Schlag im Wesentlichen erklärt, warum der Himmel blau und ein Sonnenaufgang rötlich ist. Blaues Licht wird von der Luft viel stärker gestreut als Licht mit längerer Wellenlänge. Entsprechend erscheint die Sonnenscheibe rot, und das umso stärker, wenn ihr Licht bei Sonnenauf- und -untergang einen längeren Weg durch die Atmosphäre nimmt. (Um den Effekt vollständig zu erklären, muss man auch das Spektrum des Sonnenlichts und die Reaktionen des menschlichen Auges berücksichtigen.) Die rosa Wolken, die oftmals so viel zur Schönheit eines Sonnenaufganges beitragen, bestehen aus vergleichsweise großen Wassertropfen, die das rötliche Sonnenlicht aufgrund seiner Wellenlänge gleichmäßiger streuen – an den Farben sieht man, was daraus wird.
Die dritte Erklärung für einen Sonnenaufgang ist begrifflich und kosmologische die tiefgreifendste. Was spielt sich in der Sonne ab, so dass sie scheinbar ewig Licht und Wärme spendet? Die Aufklärung der Kernreaktionen im Inneren der Sonne war nur ein Teil einer Erklärung, mit deren Hilfe wir dank Burbidge, Burbidge, Fowler und Hoyle 1957 [45] gleichzeitig nicht nur das Licht von vielerlei Sternen verstehen konnten, sondern auch wussten, wie nahezu alle natürlich vorkommenden chemischen Elemente im gesamten Universum entstehen: durch Kettenreaktionen, die sich in stabilen und katastrophal instabilen kosmischen Gaskugeln in ihren verschiedenen Stadien der Sternenevolution abspielen, angetrieben von den wechselnden Einflüssen aller grundlegenden Naturkräfte – Gravitation, Elektromagnetismus, starke und schwache Wechselwirkung.
Edge
-Leser wissen, dass wissenschaftliche Kenntnisse die Schönheit der Natur nicht zerstören, sondern verstärken. Für mich tragen alle diese Erklärungen zur Schönheit eines Sonnenaufganges bei.
Ach ja, was ist denn nun die Erklärung für Schönheit? Gehirnforscher schlagen sich mit Kernmagnetresonanzbildern herum; eine kürzlich erschienene Metaanalyse weist darauf hin, dass offenbar alle unsere ästhetischen Urteile unter Mitwirkung neuronaler Schaltkreise in der rechten vorderen Inselrinde fallen, einem Abschnitt der Großhirnrinde, der normalerweise mit der Wahrnehmung von Bauchgefühlen assoziiert ist. Vielleicht ist unser Sinn für Schönheit das Nebenprodukt der evolutionären Aufrechterhaltung von Sinneswahrnehmungen, die mit Zugehörigkeitsgefühlen und Abscheu zu tun haben. Wie dem auch sei: Nachdem mittlerweile immer mehr Exoplaneten in unseren Teleskopen auftauchen, werden wir nach meiner Überzeugung astrochemische Belege für irgendeine Form extraterrestrischer Lebewesen finden, lange bevor wir zu einer tiefgreifenden, eleganten oder schönen Erklärung
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