Wie funktioniert die Welt?
für die Ästhetik der Menschen gelangen.
Dylan Evans
Der Ursprung des Geldes
Gründer und CEO von Projection Point; Autor von RQ Risikointelligenz: Wie wir richtige Entscheidungen treffen
Meine wissenschaftliche Lieblingserklärung ist der Bericht von Carl Menger über die Entstehung des Geldes. Sie ist zutiefst befriedigend, zeigt sie doch, wie Geld sich aus dem Tauschhandel entwickeln kann, ohne dass jemand es bewusst erfindet. Deshalb ist es ein großartiges Beispiel für die »unsichtbare Hand« eines Adam Smith oder für die »Emergenz«, wie Wissenschaftler sie heute nennen.
Menger ( 1840 – 1921 ) gründete die österreichische Schule der Nationalökonomie, eine ketzerische Denkschule, die von vielen Wirtschaftswissenschaftlern der Hauptströmung lächerlich gemacht wurde. Aber deren Erklärung über den Ursprung des Geldes warf genau die Frage auf, die Menger beantwortete. Ein typisches Lehrbuch aus der Hauptrichtung der Wirtschaftswissenschaft führt die Probleme des Tauschhandels auf und erläutert dann, wie diese Probleme mit Hilfe des Geldes überwunden werden. Damit ist aber eigentlich nicht erklärt, wie das Geld seinen Anfang nahm, genau wie eine Liste mit den Vorteilen von Flugreisen nicht erklärt, wie Flugzeuge erfunden wurden. Lawrence White formuliert es in seinem 1999 erschienenen Buch
The Theory of Monetary Institutions
so: »Es bleibt der Eindruck, als seien jene, die Tauschhandel betrieben, eines Morgens plötzlich auf den Nutzen des Austauschs von Geld aufmerksam geworden und hätten sich dann am Nachmittag bereits eifrig damit beschäftigt, irgendeine Ware als Geld zu verwenden.«
Das ist natürlich lächerlich. Nach Mengers Erklärung entsteht Geld durch eine Reihe kleiner Schritte, von denen jeder sich auf Entscheidungen stützt, die einzelne Händler mit begrenzten Kenntnissen im eigenen Interesse fällen. Zunächst erkennen einzelne Tauschhändler, dass sie das Gewünschte durch indirekten Tauschhandel erhalten können, wenn der direkte Tausch schwierig ist. Statt jemanden zu finden, der sowohl das hat, was ich will, als auch das will, was ich habe, brauche ich nur noch jemanden zu suchen, der das will, was ich habe. Dann kann ich das, was ich habe, gegen seine Ware selbst dann eintauschen, wenn ich diese selbst nicht verbrauchen will, und anschließend tausche ich sie gegen etwas, das ich gerne hätte. In diesem Fall habe ich die Ware dazwischen als Tauschmedium verwendet.
Menger weist darauf hin, dass nicht alle Waren gleichermaßen marktfähig sind; manche lassen sich leichter eintauschen als andere. Für einen Händler zahlte es sich deshalb aus, sich einen Vorrat stark marktgängiger Gegenstände anzulegen und sie als Tauschmedium zu verwenden. Andere aufmerksame Händler im Markt tun es ihm gleich, und am Ende einigt sich der Markt auf ein einziges gemeinsames Tauschmedium. Dies ist dann das Geld.
Mengers Theorie zeigt nicht nur, wie Geld sich ohne jeden bewussten Plan entwickeln kann, sondern sie macht auch deutlich, dass es nicht von juristischen Verordnungen oder Zentralbanken abhängig ist. Auch dies wird von Wirtschaftswissenschaftlern der Hauptrichtung häufig übersehen. Ein Beispiel ist Michael Woodford; er ist einer der einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler unserer Zeit, aber in seinem 2003 erschienenen Werk
Interest and Prices: Foundations of a Theory of Monetary Policy
wird eine Zentralbank nach der Vorstellung der Grundannahmen innerhalb von weniger als einer Buchseite irgendwie zu einem Teil der Wirtschaftsordnung. Woodford hält nicht einmal eine Seite lang inne, um darüber nachzudenken, wie ein Bankensystem ohne Zentralbank aussehen würde. Dabei hat das freie Bankwesen eine lange Geschichte; das erste derartige System nahm in China um 995 n. Chr. seinen Anfang, mehr als 600 Jahre, bevor es die erste Zentralbank gab.
Können wir die Entstehung der Zentralbanken auf ähnliche Weise mit dem Prinzip der unsichtbaren Hand erklären, wie Menger es für das Geld tat? Die Antwort hängt nach Ansicht von Lawrence White davon ab, was wir mit »Zentralbank« meinen. Wenn die staatliche Unterstützung das definierende Merkmal einer Zentralbank ist, lautet die Antwort nein. Die Entstehung der Zentralbanken kann man nicht ausschließlich mit Marktkräften erklären, sondern an irgendeiner Stelle muss auch gezieltes staatliches Handeln ins Spiel kommen. Sich auszumalen, welche Motive eine Regierung zu einer solchen Mitwirkung veranlasst, ist nicht schwer.
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