Wie funktioniert die Welt?
komplizierte Einzelheiten auf ihre Entdeckung. Vermutlich gibt es nicht nur einen Ansammlungsmechanismus, sondern viele, denn das Hirn sammelt Anhaltspunkte auf mehreren aufeinanderfolgenden Verarbeitungsebenen. Das menschliche Gehirn entspricht sogar gut den Anforderungen an eine hervorragende Bayes-Maschine, die in jedem Stadium massiv parallele Überlegungen anstellt und kleine Entscheidungen trifft. Viele Experten glauben, unser Gefühl von Selbstvertrauen, Stabilität oder sogar bewusster Wahrnehmung sei ein Ergebnis solcher »Entscheidungen« höherer Gehirnebenen und werde letztlich dem gleichen mathematischen Modell zum Opfer fallen. Ein Schlüsselbestandteil ist auch die Bewertung; ich habe sie hier nicht erwähnt, obwohl sie nachweislich für das Abwägen unserer Entscheidungen eine unverzichtbare Rolle spielt. Und schließlich wimmelt es in dem System von Aprioris, Einseitigkeiten, Zeitdruck und anderen wichtigen Bewertungsmechanismen, durch die es sich weiter von dem, was streng mathematisch optimal wäre, entfernt.
Dennoch, als erste Näherung, ragt dieses Gesetz als eine der elegantesten und fruchtbarsten Entdeckungen in der Psychologie des 20 . Jahrhunderts heraus: Menschen handeln als nahezu optimale Statistiker, und unsere Entscheidungen entsprechen einer Anhäufung verfügbarer Anhaltspunkte bis hin zu einem Schwellenwert.
Mihaly Csikszentmihalyi
Das geflügelte Wort des Lord Acton
Distinguished Professor für Psychologie und Management, Claremont Graduate University; Gründungs-Codirektor des Quality of Life Research Center der CGU ; Autor von Flow. Das Geheimnis des Glücks
Ich hoffe, man wird mich nicht aus den Reihen der Sozialwissenschaftler ausstoßen, wenn ich gestehe, dass ich mir in unserem Fachgebiet keine Erklärung vorstellen kann, die sowohl elegant als auch schön ist. Und dann auch noch tiefgreifend … Ich vermute, wir sind noch so jung, dass wir keine solchen Erklärungen haben können. Es gibt aber eine elegante und tiefgreifende Aussage (leider eigentlich keine richtige »Erklärung«), die nahezu die Kriterien der
Edge
-Frage erfüllt und die ich sowohl sehr nützlich als auch wunderschön einfach finde.
Ich meine damit die allgemein bekannten Zeilen, die Lord Acton 1887 in einem Brief aus Neapel schrieb. Sie besagen: »Macht macht korrupt, und absolute Macht macht absolut korrupt.« Mindestens ein Wissenschaftsphilosoph hat geschrieben, man könne auf diesen Satz eine ganze Wissenschaft vom Menschen aufbauen.
Nach meiner Überzeugung kann man auf der Grundlage des Satzes erklären, warum ein gescheiterter Maler wie Adolf Hitler und ein gescheiterter Priesterseminarschüler wie Josef Stalin am Ende das Blut von Millionen Menschen an ihren Händen haben konnten; oder wie es kam, dass die chinesischen Kaiser, die römischen Päpste und die französische Aristokratie den Versuchungen der Macht nicht widerstehen konnten. Wenn eine Religion oder Ideologie die beherrschende Rolle übernimmt, führt das Fehlen von Kontrolle zu einer Spirale der immer größeren Freibriefe, und am Ende stehen Zerfall und Korruption.
Es wäre schön, wenn man Actons Erkenntnis zu einer richtiggehenden Erklärung weiterentwickeln könnte, bevor die herrschenden Mächte unserer Zeit, die sich auf eine blinde Wissenschaftsgläubigkeit und die Verehrung der unsichtbaren Hand stützen, den älteren Formen der Macht auf ihrem Weg in die Mülltonnen der Geschichte nachfolgen.
Victoria Stodden
Fakt, Fiktion und unsere probabilistische Welt
Expertin für Computerrecht; Assistenzprofessorin für Statistik, Columbia University
Wie unterscheidet man zwischen Fakt und Fiktion? Häufig fallen uns scheinbar ungewöhnliche Zufälle auf. Stellen wir uns einmal vor, wir lesen morgens etwas über einen Fisch, bekommen dann Fisch zum Mittagessen, und das Gespräch dreht sich um Backfische (unverheiratete junge Frauen). Am Nachmittag zeigt uns ein Kollege mehrere Bilder von Fischen, und am Abend schenkt uns jemand eine Stickarbeit mit fischförmigen Seeungeheuern. Am nächsten Morgen berichtet eine Kollegin, sie habe von Fischen geträumt. Das mag allmählich ein wenig gespenstisch wirken, aber bei genauerem Hinsehen sollten wir uns nicht darüber wundern. Die Begründung hat eine lange Geschichte, und die führte zu einer der Intuition widersprechenden Erkenntnis: Durch die Wahrscheinlichkeitsverteilung bauen wir Zufälligkeit unmittelbar in unser Verständnis der Natur ein.
Wahrscheinlichkeit als
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