Wie funktioniert die Welt?
vergoldeter Figuren auf Silber, und die Form der Gefäße mit ihren scharfen Einkerbungen und den schmalen, bandförmigen Handgriffen, die, aus Ton geformt, so leicht zerbrachen, waren die unmittelbare Entsprechung zu den Produkten eines Silberschmieds.
Vielen erscheint diese Erklärung auch heute noch nicht plausibel. Diejenigen unter uns jedoch, die wie ich in der archäologischen Wildnis der osteuropäischen Eisenzeit arbeiten, in der protzige barbarische Grabhügel mit Luxusgütern aus kostbarem Metall vollgestopft sind, halten sie für vollkommen sinnvoll. Antikes Silber sieht bei seiner Entdeckung schwarz aus, und die Goldlegierungen weisen ein starkkontrastierendes Rotgold auf. Museen pflegten solche Gefäße in der Regel zu »restaurieren«, aber dabei machte man sich (im Gegensatz zu dem, was wir heute wissen) nicht klar, dass die sulfidhaltige Politur auf dem Gold absichtlich angebracht war und dass man keinen Griechen mit glänzendem Silber bestattet hätte (was dem Stil der verhassten Perser entsprach – diese protzten damit, dass sie Zugang zu den exotischen Zitronen hatten und das Metall damit säubern konnten).
Ich selbst war von Anfang an von dem Gedanken begeistert, aber der entscheidende Moment kam für mich, als Vickers mehrere
lekythoi
fotografierte, elegante, kleine, zylinderförmige Öl- oder Parfumgefäße, die abnehmend nach der Größe in einer Linie lagen, die in einen eleganten Bogen bildete. Damit zeigte er, dass der Körperdurchmesser keines
lekythos
(der einzige wichtige Typ von Keramikgegenständen mit weißem Hintergrund, bei dem nur Fuß und Deckel schwarz waren) größer war als der des größten Lamellenzylinders, den man aus einem Elefantenstoßzahn herstellen konnte. Diese Gefäße, so erklärte er, seien Skeuomorphe silberbeschlagener Originale aus Elfenbein.
Die Folgerungen sind noch nicht abschließend geklärt, aber dem Ruf der Griechen als philosophisch orientierter Kultur, die
l’art pour l’art
betrieb, kann man jetzt das Bild einer Welt gegenüberstellen, in der jeder unbedingt die reichen Eigentümer der von Sklaven ausgebeuteten Silberminen mit ihren Flotten von Handelsschiffen nachahmen wollte. Nach meiner Überzeugung wurden die Umfänge der antiken Wirtschaft in allen Dimensionen – Sklaverei, Handel, Bevölkerungszahl, gesellschaftliche Schichtenbildung –, und damit auch ihre Auswirkungen auf den Kolonialismus und die entstehende gesellschaftliche Komplexität im frühgeschichtlichen Eurasien, systematisch unterschätzt.
Für die moderne Kunstwelt liegt die Ironie darin, dass die rotfigurigen Vasen, die heute für gewaltige Summen den Besitzer wechseln, nicht das waren, was die Griechen selbst am höchsten schätzten. Eines ist heute klar: Die Illusion, diese von ihrem Wesen her billigen antiken Gegenstände seien das einzig Wahre, wurde durch den höchst selektiven Gebrauch griechischer Texte im 19 . Jahrhundert bewusst gefördert, und zwar von Auktionshäusern, die einen Markt schaffen wollten.
Andy Clark
Sprache als anpassungsorientiertes System
Philosoph, Professor für Logik und Metaphysik, Universität Edinburgh; Autor von Supersizing the Mind: Embodiment, Action and Cognitive Extension
Die Vorstellung, dass strukturierte Sprache durch
iterated learning
entsteht, ist eine jener wunderschönen Erklärungen, die manche Dinge auf den Kopf stellen und sowohl ihre Funktionsweise als auch ihre Herkunft auf ganz neue Weise offenlegen. Sie zeigt leistungsfähige Alternativen zu der Ansicht auf, das menschliche Gehirn sei stark an das Lernen menschlicher Sprachen angepasst. Stattdessen zeichnet sie ein Bild, in dem die Sprachen der Menschen stark an die Gestalt der Lernvorrichtungen angepasst sind, die das menschliche Gehirn beherbergt.
Dahinter steht der Kerngedanke, dass Sprache selbst eine Art anpassungsorientiertes System ist, das sich in Form und Struktur so verändert, dass es für die Ausführenden (uns) immer leichter zu erlernen ist. Diese allgemeine Idee wurde (soweit mir bekannt ist) erstmals 1997 in dem Buch
The Symbolic Species
von Terry Deacon formuliert. Weiter verfolgt wurde sie von Computerlinguisten wie Simon Kirby, Morten Christiansen und anderen. Die Arbeiten bestanden zum größten Teil aus Computersimulationen, 2008 veröffentlichten Kirby et al. aber in den
Proceedings of the National Academy of Sciences
einen Artikel, in dem sie ihren Beweis im Prinzip auch durch Laborexperimente mit Versuchspersonen untermauerten.
In diesen
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