Wie funktioniert die Welt?
in dem privilegierten Scarsdale aufwuchs; ich mochte es nicht, aber dass ich mich dort deplatziert und seltsam fühlte, versteckte ich, indem ich zu einem erfolgreichen Highschool-Absolventen wurde. Diracs (für mich) eindringliche politische Metapher weckte in mir die Vorstellung, die unerreichbare Quelle (das Meer der negativen Energie) sei der wahre Grund, auf dem wir alle insgeheim stehen – und Mut bezog ich aus der Tatsache, dass die Welt um mich herum blind für die tiefere Realität der Dinge war und dass meine Entfremdung in einem gewissen Sinn ihre Rechtfertigung hatte.
Jared Diamond
Die Ursprünge der biologischen Elektrizität
Professor für Geographie, University of California in Los Angeles; Autor von Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen
Meine tiefgreifende, elegante, schöne Lieblingserklärung betrifft die Frage, wie Tiere und Pflanzen auf biologischem Weg Elektrizität erzeugen können; die Antwort gaben die britischen Physiologen Alan Hodgkin und Andrew Huxley im Jahr 1952 , und 1963 erhielten sie dafür den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.
Schon seit über 100 Jahren wusste man, dass Nerven, Muskeln und einige andere Organe von Tieren, aber auch wenige Pflanzen elektrischen Strom erzeugen. In den meisten Fällen hat er eine geringe Spannung von nur einem Bruchteil eines Volts. Zitteraale jedoch, bei denen 6000 Muskelmembranen hintereinander angeordnet sind, können bis zu 600 Volt erzeugen, genug, um ihre Beutetiere zu töten, Pferden beim Durchwaten eines Flusses einen Schlag zu versetzen und auch mir einen Schock zu verabreichen, als ich in meiner Doktorandenzeit die Stromerzeugung der Aale studierte und so konzentriert über physiologische Mechanismen nachdachte, dass ich ihre Folgen vergaß.
Elektrischer Strom besteht aus der Bewegung geladener Teilchen. In unseren Glühlampen und Stromnetzen handelt es sich bei diesen Teilchen um negativ geladene Elektronen. Welche sind es in biologischen Systemen? Der deutsche Physiologe Julius Bernstein äußerte schon vor über 100 Jahren die Vermutung, es könne sich bei den geladenen Teilchen, deren Bewegung für die biologische Elektrizität verantwortlich ist, nicht um Elektronen handeln, sondern um positiv geladene Ionen.
Mit hieb- und stichfesten Experimenten begannen Hodgkin und Huxley Ende der 1930 er Jahre. Sie rechneten mit der Beobachtung, dass die Spannung an einer ruhenden Nervenmembran während eines elektrischen Impulses vorübergehend auf null zurückgeht, weil die Membran ihre selektive Durchlässigkeit für positiv geladene Kaliumionen verliert. Zu ihrer Überraschung stellten sie jedoch fest, dass die Spannung an dem Nerv nicht nur auf null zurückging und dass die Nervenmembran nicht nur unterschiedslos durchlässig wurde: Die Spannung kehrte ihr Vorzeichen sogar um. Das setzte einen besonderen Mechanismus voraus. Aber dann marschierte Hitler in Polen ein, und die nächsten sechs Jahre verwendeten Hodgkin und Huxley ihre Erkenntnisse über Elektrizität, um Radaranlagen für das britische Militär zu bauen.
Im Jahr 1945 nahmen sie ihre Experimente wieder auf. Dazu verwendeten sie Riesennerven, die im Rücken von Tintenfischen entdeckt worden waren. Diese Nerven waren so groß, dass man eine Elektrode einführen und damit die Spannung an der Nervenmembran messen konnte. Nun bestätigte sich die faszinierende Entdeckung aus der Vorkriegszeit: Das Vorzeichen der Spannung am Nerv kehrte sich tatsächlich um, und diese Umkehrung wurde entlang des Nervs übermittelt, so dass ein elektrischer Impuls entstand. In einer Versuchsreihe, die geradezu eine Definition für den Begriff »Eleganz« darstellt, erzeugten sie mit einer Spannungsklemme künstlich unterschiedlich hohe Spannungen an der Nervenmembran, maßen, welche elektrischen Ströme in Abhängigkeit von der Zeit nach innen und nach außen durch die Membran flossen, nachdem sie die Spannung angelegt hatten, und rechneten ihre Spannungsmessungen in Veränderungen der Durchlässigkeit für die positiv geladenen Kaliumionen und dann für die positiv geladenen Natriumionen als Funktion von Spannung und Zeit um; zuletzt schließlich rekonstruierten sie aus diesen zeit- und spannungsabhängigen Durchlässigkeitsveränderungen den gesamten Verlauf eines Nervenimpulses. Heute nehmen Studenten der Physiologie die notwendigen Berechnungen zur Rekonstruktion eines Aktionspotentials an einem Nachmittag auf ihrem Schreibtischcomputer vor. Im Jahr 1952 , vor
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