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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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verdient, als Nächstes davon zu Spottpreisen in Ostmark Immobilien gekauft – die besten Lagen waren ihnen ja bekannt -, nach der Währungsunion beispielsweise einen Großhandel mit Gemüse oder mit Fleischprodukten begonnen, und inzwischen zählen sie wieder zu den Stützen der neuen Gesellschaft.«
    Dass sie eher tragende Stützen einer nicht so ehrenwerten oder gar ehrlichen Gesellschaft sind, deren angeblich dunklen Geschäfte Anfang 2007 unter dem Stichwort »Leipziger Sumpf« Schlagzeilen machten, steht nicht nur für Tobias Hollitzer fest. Kriminaldirektor Uwe Schmidt, der pensionierte Leiter der Abteilung »Organisierte Kriminalität und Wirtschaftsdelikte« im Landeskriminalamt Berlin, einst die treibende Kraft in der Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV), kennt sich aus im schwarzen Reich, das ruckzuck nach dem Mauerfall von alten roten Socken und jungen neudeutschen Eroberern gegründet wurde mit dem einheitlichen Ziel, ganz egal, was es andere koste, ganz egal, ob legal oder illegal, gemeinsam hohen Mehrwert zu erzielen. Er schätzt,
dass im ganz natürlichen Chaos einer so gewaltigen Umwälzung wie der von einer Plan- in eine Marktwirtschaft in den ersten Jahren umgerechnet zehn Milliarden Euro durch Schiebungen und Scheingeschäfte veruntreut wurden. Dabei erwähnt er auch das Parteivermögen der SED und erwartet im Übrigen meinen Besuch.
    Vom Vorraum der ehemaligen Hausmeisterwohnung, in dem ich mit Hollitzer an einem ziemlich heißen Julitag stand, gehen fünf Holztüren ab. Hinter einer von denen befand sich die Guillotine. An der beigefarbenen Wand, von der dreckig nasser Putz abblättert, hängt jetzt ein Kreuz. Das hat der Gefängnisseelsorger Ende 1989 anbringen lassen. Als einst hier getötet und gestorben wurde, gab es keine Kreuze, keinen Pfarrer, keine Gebete. Den Delinquenten wurde ein schwarzes Tuch über den Kopf gezogen. Weiter in den Vorschriften: »Im Hinrichtungsraum ist das Hinrichtungsgerät zu verdecken. Särge dürfen in diesem Raum nicht bereitgestellt werden... Der Leiter der SV-Dienststelle wendet sich mit folgenden Worten an den Verurteilten: Sie wurden zum Tode verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Scharfrichter, walten Sie Ihres Amtes.«
    Wo die Guillotine stand, die im DDR-Deutsch »Fallschwertmaschine« hieß, sind die verrosteten Verankerungen noch deutlich erkennbar. In einer Ecke gegenüber dringt ein verlötetes totes Wasserrohr aus der Wand. An dem wurde in den Jahren, als noch geköpft wurde, ein Schlauch angeschlossen und anschlie ßend das Blut der Enthaupteten in den am Boden eingelassenen Abfluss weggespült. Dessen Abdeckung mit zehn ellipsenförmigen kleinen Öffnungen und einem großen Loch in der Mitte bestand aus Emaille, weil die nie rostet. An alles war gedacht, alles war bedacht worden. Am Ende war auch der Tod in dieser Zeit ein Meister aus Deutschland – Mielke: »Das ganze Geschwafel von wegen nicht Hinrichtung und nicht Todesurteil – alles Käse, Genossen. Hinrichten, wenn notwendig auch ohne Gerichtsurteil« -, und es galten auch an solchen Stätten des Grauens die deutschen Sekundärtugenden von Pflicht und Pünktlichkeit und
somit die Gebote von Sauberkeit und Ordnung. Ab 1968 mussten keine Spuren vom letzten Opfer mehr beseitigt werden, bevor das nächste herangeschafft wurde und nebenan seine letzte Mahlzeit verzehrte.Von da an wurde geschossen.
    Der letzte Henker der DDR hieß Hermann Lorenz, der letzte Delinquent Werner Teske. Der Prozess gegen ihn begann am 10. Juni 1981 um 8.30 Uhr, das Urteil erfolgte bereits einen Tag später um 15.30 Uhr. Wie immer bei seinen Aktionen, für die es 500 Mark extra gab, wartete Lorenz, bewaffnet mit seiner Walther P 38, Schalldämpfer aufgeschraubt, am 26. Juni 1981, 10.10 Uhr, im Schatten hinter der Tür, die nach innen aufging. Als Teske eintrat, dem befohlen worden war, er solle sich in den nächsten Raum begeben, setzte Lorenz seine Waffe an dessen Hinterkopf zum vorgeschriebenen Nahschuss an und drückte ab. Der Hauptmann der Hauptabteilung Aufklärung, die dem legendären DDR-Spionagechef Markus Wolf unterstand, war sofort tot.
    Der folgende Schuss ins Herz war unnötig, jedoch in den Vorschriften ausdrücklich angeordnet. Erst dann bestätigte der anwesende Staatsanwalt den Tod. Die beiden Gehilfen des Henkers legten die Leiche in einen nebenan aufbewahrten Sarg, der dann zum Friedhof gefahren und dort, ohne noch einmal geöffnet zu werden,

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