Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)
Portfolio der SED, später PDS, waren 901 Immobilien aufgelistet, in dem des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes 1428 und bei der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe 1435. Aber wie viele der neuen Eigentümer in augenscheinlich unverdächtigen GmbHs in Wahrheit Strohmänner der ehemaligen Besitzer oder sogar nur Geldwaschanlagen waren, wussten die Treuhändler nicht.
Die umgerechnet 237 Millionen Euro zum Beispiel, die von der Ostberliner Handelsgesellschaft NOVUM auf Schweizer Konten geparkt worden waren, stehen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zwar dem deutschen Staat zu, der das Geld liebend gern einsetzen möchte für den Aufbau Ost, aber die Gesellschafterin der NOVUM, Rudolfine Steindling, will erstens in der Schweiz weiter prozessieren, was dauern kann, denkt auch zweitens nicht daran, weil sie mittellos sei, für die fünf Millionen Euro Prozesskosten aufzukommen, die das Verfahren bislang gekostet hat. Seit 1990 sind vor verschiedenen Gerichten und Instanzen rund hundert Zeugen gehört worden, auch der oberste DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski, zu dessen KoKo-Reich einst 67 Betriebe in der DDR und 108 weitere in Westeuropa, alle unter unverdächtigen Namen, gehörten.
Auch die NOVUM?
Die Millionen, behauptet dagegen stur die »Rote Fini«, wie unter Ihresgleichen Frau Steindling genannt wird, zu deren Beratern
Ex-DDR-Außenhandelsminister Gerhard Beil zählte, seien nicht etwa geschickt getarntes DDR-Vermögen, sondern Provisionen, die von österreichischen Firmen für Geschäfte mit der DDR an die NOVUM bezahlt wurden, und diese sei stets im Besitz der Kommunistischen Partei Österreichs gewesen.
Da lacht Herr Schmidt.
Typisch Ost, oder nicht?
Nein, meint der westdeutsche PR-Profi und ehemalige VW-Sprecher Dr. Klaus Kocks, falls man beispielhafte Korruption anhand der inzwischen gerichtsnotorischen Sitten von Wolfsburg beschreiben müsste – man kennt sich, man hilft sich, man knüpft ein Netzwerk -, würde man zu denen der Altkader drüben moralisch keinen großen Unterschied mehr feststellen.
Der ist auch nicht erkennbar bei einem anderen Skandal. Dabei geht es um 82 000 blühende Landschaftsgrundstücke und um staatliche Willkür. In Brandenburg zum Beispiel hat sich der sichtlich getroffene Ministerpräsident Matthias Platzeck sogar öffentlich dafür entschuldigt. Sein Bundesland hatte sich unrechtmäßig bereichert. Der Hintergrund: Nach dem Krieg hatten die Kommunisten die Großgrundbesitzer enteignet, wie es ihrer Ideologie entsprach, und deren Land unter Vertriebenen und Neubauern aufgeteilt. Nach 1990 mussten die Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden, so wie es nun mal Gesetz war in einem Rechtsstaat. Anspruch hatten nur die Erben der damaligen Neubauern, die selbst in der Landwirtschaft tätig waren. Diese Regelung galt bis 2000.
Aber noch waren die Eigentümer von rund 10 000 Grundstücken nicht ermittelt worden, woraufhin das Finanzministerium als Besitzer einfach das Bundesland Brandenburg in die Grundbücher eintragen ließ. Der von entrechteten Erben angerufene Bundesgerichtshof sprach von einem sittenwidrigen Verhalten, unwürdig eines Rechtsstaates, es erinnere »nachhaltig an die Praxis der Verwalterbestellung in der DDR«. Was im roten Netzwerk der alten Männer wieder mal als Beispiel dafür gewertet wurde, dass kein Unrecht gewesen sein kann, was bei ihnen rechtens war.
Nachdem ich an jenem Sommernachmittag in Leipzigs Südvorstadt, die Bilder der Hinrichtungsstätte noch im Kopf, der Vergangenheit entkommen war, habe ich bei einem der Häuser auf der anderen Straßenseite geklingelt, zunächst im Erdgeschoss, dann in einer Wohnung weiter oben, und gefragt, ob den Bewohnern in dieser Vergangenheit etwas aufgefallen war beim Blick nach drüben, und selbstverständlich auf Nachfrage erklärt, warum mich das interessiere, also auf das dunkle Tor hingewiesen und das, was dahinter einst stattgefunden hatte. Ich stieß auf überzeugendes Entsetzen. Aber auch auf aggressive Abwehr: Wer heute solche Fragen stelle, solle abhauen dahin, wo ich wahrscheinlich herkäme und hingehöre. Was mich wiederum an andere Deutsche erinnerte, die einst bei kritischen Bemerkungen über real existierende Zuständen im Westen wütend empfohlen hatten, man möge doch nach drüben gehen, in die Zone, in den Osten, falls es einem hüben nicht passe. Da ist offenbar wohl doch längst zusammengewachsen, was zusammengehört.
Weg hier, bloß schnell weg
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