Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)
Wirtschaft zu zerschneiden.
Mit Netzwerken der Ehemaligen kennt er sich aus. Darüber lässt sich leichter reden, weil die schlimmsten Fälle seit 1997 verjährt sind und für den Staat nichts mehr zu holen ist. Bei anderen jedoch, die fern von Berlin Schlagzeilen machen, laufen noch Ermittlungen, in Leipzig zum Beispiel, und da hält sich Schmidt raus. Er weiß, was sich im Rechtsstaat ziemt – die Unschuldsvermutung.
Denn beim sogenannten Leipziger Sumpf geht es darum, was in den 15 600 Seiten steht, die das Landesamt für Verfassungsschutz unter dem sicher nicht zufälligen Stichwort »Abseits« über korrupte Netzwerke von Juristen, Politikern, Immobilienhändlern, Bordellbesitzern gesammelt hat. Sie sind gespickt mit Vokabeln wie Amtsmissbrauch und Kinderprostitution, Vetternwirtschaft und Schiebereien, Drogendeals und Auftragsmorde, Rechtsbeugung und Erpressung, Aufzeichnungen über die Taten russischer wie italienischer Mafiosi, Prostituiertenpartys im Rathaus unter Beteiligung hochrangiger Politiker.
Kann sich sowohl um ein paar kleinere Feuchtgebiete handeln als auch um einen knietiefen Morast, um üble Gerüchte als auch um üble Gerüche. Kann sowohl eine Hexenjagd sein, bei der manche Journalisten nach dem Prinzip, was nicht zur Verschwörungstheorie passt, wird weggelassen, zu schnell bereit waren, an Unglaubliches zu glauben. Kann sich aber tatsächlich immer noch als ein Fall erweisen wie noch kein anderer unter den zahlreichen Fällen, die im vereinten Deutschland enthüllt wurden, vergleichbar dann allenfalls dem Sumpf von Wolfsburg.
Zu denen gehört natürlich die nie restlos aufgeklärte Geschichte vom Parteivermögen der SED.Wie mühsam es war, Profis vom MfS, die ihre erlernten Fähigkeiten der Desinformation
im Kapitalismus einsetzten, auf die Spur zu kommen, beweist eine Zeitungsanzeige der Treuhandanstalt 1994, in der unter der Fettzeile »Gesucht: DDR-Parteivermögen« fünf Millionen Mark Belohnung versprochen wurden für sachdienliche Hinweise, wo was gebunkert ist: »Allgemein geht man davon aus, dass aus dem Milliardenvermögen der Parteien und Massenorganisationen noch viele Millionen versteckt auf Konten oder in Firmen liegen, die den nach dem Gesetz Verantwortlichen damit entzogen sind. Die Methoden der Veruntreuer sind durchaus raffiniert.«
In der Tat, das waren sie. Zwar zog die ZERV, die »Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität«, bei ihrer Auflösung Ende 2000 eine insgesamt positive Bilanz, denn ihre fünfhundert Beamten von Bund und Ländern hätten zwischen 1991 und 2000 genau 20 327 Ermittlungsverfahren bearbeitet, davon 16 323 Fälle von Regierungskriminalität, und insgesamt 2,5 Milliarden Mark an Vermögenswerten sichergestellt, aber nicht nur Uwe Schmidt hält das im Vergleich zu dem, was wirklich verschwunden ist, für Peanuts.
Denn von den 1996 von der ZERV formulierten ehrgeizigen Vorhaben, »Untreue bei PDS-Vermögen und Vermögen anderer ehemaliger Massenorganisationen wie FDJ, FDGB, Vermögenswerte aus früheren VEBs, jetzt GmbHs, Vermögensverlagerungen zu Firmen der Kommunistischen Partei Österreichs, in der Schweiz, Unterschlagung von PDS-Vermögen, Untreue bei Vermögenswerten des MfS, Manipulationen bei Immobilien, Umstellungsbetrug in Zusammenhang mit den Maßnahmen der Währungsunion« usw. zu erfassen – insgesamt könnte es sich bei »koordinierter Vorgehensweise« um »rückholbare 20 Milliarden DM« handeln -, ist im Vergleich zur Schlussbilanz nur wenig mehr als ein Zehntel erreicht worden.
Ausgegangen wurde 1990 von 6,2 Milliarden Mark liquider Mittel der SED-PDS, die nach Meinung der Ermittler unter anderem wie folgt verteilt wurden: 437 Millionen Mark Kapitalbereitstellung für Stiftungen, 380 Millionen Abfindungen an Parteimitarbeiter, 750 Millionen Rentenkasseeinlage für Parteimitglieder,
456 Millionen verteilt an PDS-Kreisverbände (u.a. Vergabe für Firmengründungen), 490 Millionen an Mitglieder als geparkte Darlehen sowie Firmengründungskapital. Der Restbestand von dann rund 206 Millionen nach der Währungsunion harter Westmark ist für den Aufbau in den neuen Ländern verwendet worden.
Die Treuhandanstalt – Motto ihres am 1. April 1991 ermordeten Präsidenten Detlev Karsten Rohwedder: »Schnell privatisieren, entschlossen sanieren, behutsam stilllegen« – hatte laut Schlussbilanz zwar auch einen genauen Überblick über die 4067 Immobilien im Besitz der Parteien und Massenorganisationen. Im
Weitere Kostenlose Bücher