Wie ich Brad Pitt entführte
aber nicht übermäßig erfreut.
»Und?«
»Und du bist wirklich ein Chaot. Liebenswert. Aber ein riesiger Chaot.« Man sah Kasi an, dass er sich beherrschen musste, um Ruhe zu bewahren.
»Wieso?«, murmelte Blitzi, dem der ganze Papierkram immer gehörig gegen den Strich ging.
»Weil dieser Arbeitsvertrag das Papier nicht wert ist, auf dem er steht! Deshalb!«, brüllte Kasi auf einmal los. »Du kannst ohne Angabe von Gründen jederzeit gefeuert werden! Ohne Ausgleichszahlungen oder Pensionsansprüche! Wer unterschreibt denn so etwas! Das ist ja moderne Sklaverei!«
»Aber so ist das nun Mal als Journalist. Die meisten von uns arbeiten sowieso als Freelancer und haben überhaupt keinen Vertrag! Die verdienen ihr Geld pro veröffentlichter Zeile!«, verteidigte sich Blitzi halbherzig.
»Aber du wirst auch mal älter … willst du dann am Hungertuch nagen?« Kasis übliche vornehme Blässe war einem ungesunden Rot gewichen. »Schon mal was von Altersarmut gehört?«
Kasis besorgter Anblick war schwer zu ertragen. Unwillkürlich stand Blitzi auf und schlang seine Arme um Kasis schmalen Oberkörper. Beruhigend murmelte er auf ihn ein. »Bitte reg dich nicht auf. Alles wird gut. Mach dir keine Sorgen um mich.«
Blitzi konnte fühlen, wie sich Kasis Herzschlag verlangsamte. Das fehlte ihm jetzt noch, dass Kasi seinetwegen etwas zustieß. Ein Herzinfarkt oder so!
Kasi schwenkte matt den Arbeitsvertrag mit einer Hand und stöhnte auf. »Und wegen so etwas Unwichtigem wie einem Arbeitsvertrag soll ich mir keine Sorgen machen?«
»Ich habe mal irgendwo gelesen, dass AV-Klauseln, die dich schlechter stellen, als das Arbeitsrecht es vorsieht, sowieso ungültig sind. Wenn es dich also beruhigt, gehe ich nächste Woche mal zum Anwalt und lasse mich beraten.«
»Doch, das würde mich beruhigen. Sehr sogar«, meinte Kasi und lächelte schon wieder. Blitzi überlegte gerade, ob ihnen vor dem frühen sonntäglichen Redaktionsschluss noch Zeit für einen Quickie blieb, als sein Handy klingelte.
»Ja?«, bellte er ungehalten.
»Kramer«, meldete sich eine zögerliche Stimme am anderen Ende der Leitung. »Ich glaube, wir sollten uns noch mal kurz unterhalten. Mir geht da so eine Idee im Kopf rum.«
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66.
Sonntag, 21.15 Uhr
F rüher im Kalten Krieg waren die Fronten geklärt. Es gab Amerika, und es gab Russland. Für Ost- und Westdeutschland war also jeweils eins der beiden Länder der wohltätige Freund, das andere der böse Feind. Beide hielten sich gegenseitig in Schach, und man wusste immer genau, woran man war und was man vom jeweils anderen zu erwarten oder eben nicht zu erwarten hatte.
Heute ist das nicht mehr so. Heute steigt man in ein Flugzeug und schaut sich seine Mitpassagiere erst einmal genau an. Könnte es sich bei einem von ihnen um einen Terroristen handeln? Ist Amerika nun immer noch unser Freund? Und was geht bloß in Russland ab? Fragen über Fragen, und nichts ist so, wie es scheint.
Das Gleiche kann man interessanterweise auch über das neuzeitliche Verhältnis zwischen Mann und Frau sagen. Als ich zwanzig war – also noch vor rund zehn Jahren –, gab es keinerlei Zweifel darüber, wie ein Date ablaufen würde: Der Typ wollte so schnell wie möglich mit dir in die Kiste, während du »es« nach Absprache mit deinen Freundinnen gerne noch ein bisschen herausgezögert hättest. Manchmal gelang dir das, manchmal eben nicht. Aber auf die Tatsache, dass zumindest »er« immer wollte, war Verlass.
Heute ist das anders: Heute sind die Männer keinesfalls diejenigen, die immer wollen. Der Mann meiner Freundin Lisa zum Beispiel ist im Job so gestresst, dass er all ihre Avancen nur als zusätzlichen Druck versteht und prinzipiell ablehnt. Meine Freundin Marion geht seit knapp einem Jahr mit einem Mann aus, mit dem sie noch nicht geschlafen hat … weil er nicht will. Es handelt sich bei ihm mithin um ein sehr zartes Pflänzchen, das sich erst in mehreren Meditationszyklen über seine Gefühle für sie klar werden will. Tja, was soll man davon halten? Wenn auf einmal die Männer bei der Aufforderung zum Sex »Kopfschmerzen« vortäuschen, was ist denn dann noch sicher? Im Leben sollte es so gewisse Fixpunkte geben, die einfach konstant sind. Männer weinen nicht. Punkt. Frauen kaufen gerne Schuhe ein. Das ist handfest, damit kann man arbeiten. In meinem Umfeld gibt es sehr wenige Menschen oder Dinge, auf die ich blind vertraue. Linda ist so jemand. Sie steht grundsätzlich auf meiner
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