Wie ich Brad Pitt entführte
Seite.
Und dann ist da Max: Auf Max kann man sich verlassen. Max mag mich. Max ist im ganz altmodischen Sinn des Wortes ein »Ehrenmann«. Auf diese drei Aussagen hätte ich noch vor wenigen Minuten einen Eid geschworen. Ich hätte mich für den hundertprozentigen Wahrheitsgehalt dieser Sätze vierteilen, teeren und federn lassen. Und doch hätte ich mich getäuscht.
Als ich pünktlich bei mir vor die Haustür trete, sehe ich Max’ Kombi schon ein bisschen weiter vorne auf der anderen Straßenseite parken. Es ist zu dunkel, um sein Gesicht hinter der Scheibe der Fahrertür auszumachen, aber ich winke trotzdem und schicke mich an, die Straße zu überqueren. Voller Vorfreude setze ich zu einem kleinen Sprint an. Uns trennen nur noch wenige Meter, als Max’ Auto urplötzlich auf die Straße ausschert und in einem unglaublichen Tempo losfährt. Weg von mir! Ich schaue den gelben Rücklichtern fassungslos hinterher. Dann muss ich schnell zur Seite springen, denn hinter mir parken kurz hintereinander noch zwei weitere Autos aus und brausen in die gleiche Richtung.
Ich schaue immer noch perplex in die Richtung, in die Max entschwunden ist. Es handelt sich dabei zweifelsfrei um Max’ Auto. Sein Kennzeichen ist K-HC 2907, und der 29. Juli ist das Geburtsdatum meiner Mutter, da kann ich mich nicht vertan haben. Was ist bloß los? Will er noch Blumen besorgen?
Ich wickle meinen dünnen Mantel etwas fester um meinen Körper. Mir ist saukalt. Ich habe mich für einen Restaurantbesuch angezogen und nicht für längeres Warten im Freien bei gefühlten Minustemperaturen. Wann kommt er bloß wieder? Ich blicke auf die Uhr: zwanzig Uhr vierzig. Das sieht ihm so gar nicht ähnlich. Ob seine Arbeit ihn kurzfristig wegbeordert hat? Aber dann würde er doch Bescheid sagen! Ich krame in meiner Clutch nach meinem Handy. Nichts! Kein verpasster Anruf. Keine SMS. Um mich zu wärmen, trete ich von einem Bein aufs andere. Hüpfe auf der Stelle. Aber ich will nicht wieder im Hauseingang verschwinden. Er soll mich doch sehen, wenn er endlich angebraust kommt.
Ob ich ihn einfach mal anrufe? Ich gebe ihm Zeit bis Viertel vor. Dann wähle ich seine Nummer. Piep! Piep! Gott sei Dank, die Leitung ist frei! Da! Es macht »knack«. Er geht dran. Doch im nächsten Moment kommt das Besetztzeichen. Piep, Piep, Piep, Piep dröhnt es unablässig in mein Ohr. Verwundert betrachte ich mein Handy. Eine Fehlverbindung? Oder hatte er mich und meinen Anruf einfach weggedrückt? Entschlossen wähle ich erneut seine Nummer. Endlich geht jemand dran: Eine unverbindlich-kühle Stimme wiederholt Max’ Nummer und informiert, dass dieser Anschluss zurzeit nicht erreichbar ist: »Bitte rufen Sie später noch mal an!«
Ich kann es immer noch nicht glauben! Max will nicht mit mir sprechen?! Oder ist sein Akku leer? Aber mittlerweile ist es schon einundzwanzig Uhr! Wo kann er nur stecken? Verzweifelt suche ich nach einer schlüssigen Erklärung für Max’ Verschwinden. Ist jemand verunglückt? Ein Freund in Not? Hat er seine Brieftasche zuhause liegen lassen?
Aber man soll sich schließlich nicht selbst in die Tasche lügen! Egal, was passiert ist, an einer Tatsache ist nicht zu rütteln: Er hat mich hier ohne ein Wort der Entschuldigung oder einen klärenden Anruf seit inzwischen knapp fünfunddreißig Minuten stehen lassen. Und das hätte ich ihm NIEMALS zugetraut. Ich hätte meine rechte Hand darauf verwettet, dass Max selbst in einem Notfall einen Weg finden würde, mich zu benachrichtigen! Dicke Tränen steigen in mir hoch, füllen meine Augen und laufen langsam über meine Wangen. Ich glaube nicht, dass ich mich schon einmal so im Stich gelassen gefühlt habe. Aber ich will tapfer sein. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals wieder runter. Trockne meine Tränen. Das ist eine Prüfung. Ich kann und will nicht glauben, dass dies bereits das Ende von Max und mir ist. Nicht nach dem heutigen Nachmittag. Nicht nach all den Küssen! Ein so verdammt guter Kerl wie Max macht nicht einfach so Schluss. Und erst recht nicht auf so eine Weise. Ich drehe mich um und gehe entschlossen zurück in den Hauseingang. Aber das ungute Gefühl im Bauch bleibt.
[home]
67.
E s war wirklich ein Kinderspiel gewesen, die Adresse der kleinen Schlampe rauszufinden. Glücklicherweise war sie ordnungsgemäß gemeldet, und mit wenigen Klicks auf dem Computer hatte Nicole die benötigten Informationen in der Hand gehalten. Im Anschluss hatte sie sich sogar noch auf einer
Weitere Kostenlose Bücher