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Wie ich Schriftsteller wurde

Wie ich Schriftsteller wurde

Titel: Wie ich Schriftsteller wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Golluch
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nicht benutzt werden durfte. Also trabte man eine Treppe höher, aber
das machte niemandem etwas aus, wie fuhren ja schließlich auch mit dem Fahrrad
zum Duschen und Wäschewaschen ins Studentenwohnheim.
     
    „Der Zigarettenautomat unten am Haus hat mich fast
wahnsinnig gemacht!“ fällt jetzt Frieder ein. Der Automat war nämlich an der
Außenwand angebracht, und drinnen im angrenzenden Zimmer der unteren Etage wohnte
Frieder. Er konnte mit schöner Regelmäßigkeit zum Berserker werden, wenn wieder
einmal einem Zigarettenkäufer nachts um 3.30 Uhr sein Geldstück im Schlitz stecken
geblieben war und er dieses durch heftiges Hämmern und Fluchen zurück zu bekommen
versuchte. Die sich daraus entwickelnden kriegerischen Auseinandersetzungen –
eine Partei des Kampfes trug stets Schlafbekleidung – riefen hin und wieder
auch die Polizei auf den Plan.
     
    „Diese spontane Orgie kannst auch nicht bringen“, grübelt er
jetzt. „Die hat schon damals genug Zweierkisten nachhaltig gestört, und wenn
sich einer von denen in deinem Buch wieder findet, hast du eine Klage am Hals.“
     
    „Lass mal gut sein!“ Ich trinke meinen Tee aus und
verabschiede mich. Frieder trinkt jetzt Tee. Früher Lambrusco. Von irgendwo her
weht mich ein Gruseln an.
     
    Auf dem Nachhauseweg nostalgiere ich heftig weiter, denke an
Herbert, von Beruf Bildhauer und wohnhaft in einer befreundeten WG in einem
besetzten Haus, bekannt für seine rustikalen Essgewohnheiten, nicht eben ein
Meisterkoch, aber überlebensfähig wie kein zweiter. Der öffnete Konservendosen
mit dem Taschenmesser, lebte wochenlang von Bundeswehr-Dosenbrot, das er auf
dem Sperrmüll gefunden hatte und kochte ganze Blumenkohl-Köpfe am Stück, ohne
sie zuvor zu waschen. Er verspeiste sie mit Stumpf und Stiel, mit Resten von
Ackerboden und Schnecken. Damals war Blumenkohl noch ungiftig, und es saßen Schnecken
darauf.
     
    Besondere Aufmerksamkeit erregte seine Theorie vom
nachtleuchtenden Fisch. Als nämlich eines Tages im WG-Kühlschrank ein Stück
Fisch unbekannter Art und unbekannter Herkunft und vor allem auch unbekannten
Anschaffungsdatums gefunden wurde und als dieses Stück Fisch in den Müll
wandern sollte, weil es aromatisch bereits ziemlich grenzwertig war, nahm
Herbert seiner Mitbewohnerin das Lebensmittel aus der Hand bzw. er fiel ihr
förmlich in den Arm, als sie es in den Abfalleimer werfen wollte.
     
    Den Fisch in durchtränktem Pergamentpapier in Augenhöhe vor
sich hertragend, betrat Herbert die fensterlose WG-Toilette, löschte das Licht
einer nackten 40-Watt-Birne an der Decke und schloss die Tür von innen. Man
hörte Papier rascheln, dann öffnete sich die Tür wieder und Herbert kam heraus.
     
    „Der Fisch ist in Ordnung“, sagte er im Brustton der
Überzeugung. „Er leuchtet noch nicht. Schlechter Fisch leuchtet im Dunkeln.“
     
    Sprach es, trug den Fisch in die Küche und legte ihn dort in
die Pfanne, briet ihn und verspeiste ihn mit Genuss und ohne weitere Folgen.
     
    Ja, Herbert, das war ein Mann! Frieder trinkt jetzt Tee. Ich
denke an einen Entwicklungsroman.
     
    Noch keine Nachricht vom Kloster. Benno frisst wieder einmal
meinen Kühlschrank leer, hängt auf meinem Sofa rum, ohne sich mit Konversation
aufzuhalten. Ich spreche ihn darauf an.
     
    „Was willst du denn, Alter? Soll ich verhungern, während ich
dich berate? Wer sonst interessiert sich schon so intensiv wie ich für dich und
deinen Roman? Übrigens, bist du weitergekommen?“
     
    Ich erzähle ihm von den Möglichkeiten im Kloster. Er nickt
das ab.
     
    „Ich glaube übrigens auch, dass es gut wäre, wenn du dich
organisiert. Schriftstellerverband oder so! Bessere Kontakte, Tipps von
Kollegen, Netzwerk usw. Und dann brauchst du natürlich eine eigene
Facebook-Seite!“
     
    Als er endlich gegangen ist, google ich nach
Standesorganisationen. Der „Bund Freier Schriftsteller – kreatives Schreiben“
hat ein Büro am Ort, ich zweifle kurz, ob man auch unkreativ schreiben kann,
vertreibe meine Zweifel aber sofort. Kreativität und Zweifel, das passt nicht
zueinander. Frage dann telefonisch nach. Klar kann ich zur nächsten Sitzung
vorbeikommen, schon heute Abend, Neue sind immer willkommen.
     
    Alle trinken Mineralwasser, tragen Schwarz, bedeutende
Brillen und ihr letztes Buch unter dem Arm. „Schreiben in der Zeit des
elektronischen Buches“ steht auf der Tagesordnung. Kenne keinen von denen,
keiner dabei, von dem ich jemals gehört hätte. Frage im informellen

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