Wie ich Schriftsteller wurde
Typ. Er füttert Spatzen mit Hähnchenteilen von McDonalds und
freut sich drüber, dass er sie so irgendwie zu Kannibalen macht. So ein Freak
ist mein Freund. Na, mal Katerfrühstück machen.
Besonders motiviert war ich als Schriftsteller nie. Schon
immer habe ich lieber auf dem Sofa oder auf irgendetwas sonst gesessen – zum Beispiel
auf dem Motorrad – und habe über irgendetwas nachgedacht. Eher ein Träumer als
ein Vollstrecker. Nur dann, wenn ich mit der Qualität meiner gedanklichen
Produkte zufrieden war, habe ich sie aufgeschrieben. Bis heute sind das so etwa
zwei oder drei Zeilen. Von außen sieht das über weite Strecken so aus, als
würde ich nichts tun, was in gewissem Sinne ja richtig ist, aber dieses
Nichtstun ist ausgesprochen Zeit raubend. Außerdem auch noch langweilig, von
außen betrachtet. Von innen gesehen aber ungemein unterhaltend. Man ist
sozusagen in bester Gesellschaft und in intensivem Austausch. Material für eine
literarische Karriere hatte ich daher nie wirklich. Wenn ich mehr Zeit zum
Nachdenken gehabt hätte, vielleicht hätte ich die eine oder andere Seite zu Papier
gebracht. Aber irgendwie scheint das Verfahren ungeeignet für die Produktion
eines Romans. Ich muss nachdenken, was ich verändern könnte. Bessere
Voraussetzungen schaffen, beeindruckende Orte für meine Arbeit wählen, die
Stille suchen, jahrelang in Zurückgezogenheit leben. Vielleicht sollte ich mich
mal auf den Campingplatz am Rande der Stadt einmieten.
Elektrifizierte Didgeridoos
Kurzbesuch auf dem Campingplatz. Die Sache habe ich
abgehakt. Menschen in geschmacklosen Synthetik-Trainingsanzügen, keine
tragischen Charaktere, zu wenig Größe. Ausgesprochen hässliches Umfeld, alles
in spießigem Beige, dazu auch noch verdreckt, der Boden zwischen den
aufgebockten Wagen voller Pfützen. Die Frau des Platzwarts allerdings fand ich
beeindruckend. Sie hatte etwas Schicksalhaftes im Blick, könnte leicht die
Rolle der großen Dame übernehmen in meinem Roman, deren Sohn zu Beginn einer
Karriere als großer Dirigent plötzlich an Aids erkrankt. Sie pflegt ihn
aufopferungsvoll, aber ihr Schwiegervater, der Konzernchef, erkrankt blitzartig
an Alzheimer, und sie muss – in der Sorge um das Wohl ihres Familienclans – die
Führung der Firmengruppe übernehmen, während sich ihr Sohn ohne sie seinen
letzten Lebenstraum erfüllen muss und in Australien mit den Wiener Symphonikern
und einer Band aus Aborigines mit elektrifizierten Digeridoos Wagners „Ring der
Nibelungen“ aufführt. So etwas Ergreifendes sah ich in ihren Augen. Solche
Frauen trifft man auf einem Campingplatz.
Überhaupt – Frauen. Leider gibt es Frauen, die ich wollen
würde, im Roman und im wahren Leben, die aber nicht im Traum daran denken
würden, etwas mit mir anzufangen. Sicher sind da auch irgendwo Frauen, so hoffe
ich zumindest, die auch mich wollen würden, aber vermutlich würde ich in
manchen dieser Fälle nicht im Traum daran denken, etwas mit ihnen anzufangen.
Vielleicht sollte ich diese Tragik zwischen Mann und Frau, also zwischen ihnen
und mir, zum Zentrum meines Buches machen?
Aber dazu fehlt es mir in letzter Zeit an Erfahrung, ich bin
kein Frauenheld. Andere müssen nur mit dem Finger schnippen, um eine rumzukriegen.
Ich könnte mir bei denselben Frauen einen Wolf baggern, und das ohne die
geringsten Aussichten auf die entsprechende erotische Resonanz. Es liegt an
meinem Aussehen und an der Tatsache, dass ich wenig erfolgreich bin. Erfolg
lässt jeden Mann ganz passabel aussehen. Aber ich bin mir sicher, das zwischen
Männern und Frauen eine Ebene existiert, die wir selbst nicht wahrnehmen und
auf der Informationen in Bruchteilen von Sekunden ausgetauscht werden, die
darüber entscheiden, ob die eine den anderen erotisch brauchen kann oder nicht und
umgekehrt. Deshalb funktioniert ja Speed Dating so gut. Auch bei mir.
Bloß – bei mir scheint es in diesen Bruchteilen von Sekunden nahezu immer
schief zu laufen. Auch bei der Frau vom Platzwart. Habe sie heute angerufen und
ihr dämliche Fragen über freie Stellplätze gestellt. Versucht, sie in ein
Gespräch zu verwickeln. Sie konnte sich nicht einmal an mich erinnern.
Carlos Peixes Ende
„Was‘n los? Biste inner Krise oder was?“ Benno kann es nicht
raffen: Ein Sixpack hat eine ganze Nacht überlebt – allein mit mir. Benno
greift nach einer der Flaschen und köpft sie fachgerecht, der Kronkorken landet
im Aquarium. „Und Coldplay hört der Typ. Ich
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