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Wie im Film

Wie im Film

Titel: Wie im Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Julian
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und Daniel murmelte ein verkniffenes Dankeschön an seine Retterin.
    Er wischte sich das Blut an seiner Jeans ab — keine gute Idee, aber jetzt war es zu spät. Seine Mutter brachte ihm die gewünschte Schere und trat dann einen Schritt zurück, um ihn werkeln zu lassen.
    Daniel arbeitete schnell und fachgerecht, und trotzdem schaffte er es nicht, fertig zu sein, bevor die Neumanns in der Haustür erschienen. Die Nachbarn waren ein kinderloses Paar, kurz vor der Pensionierung. Daniel und sein Bruder hatten zweifelsohne irgendwo einen Platz in ihrem Herzen ergattert, als sie noch Kinder gewesen waren.
    Nun standen sie da, lächelnd, und Hilde Neumann sagte entschuldigend: „Ich war so damit beschäftigt, das Unkraut zu zupfen, dass ich die Rosen ganz vergessen habe. Es ist richtig peinlich, einen so talentierten und naturverbundenen jungen Mann an den eigenen Rosen herumschneiden zu sehen.“
    Daniel zog eine Augenbraue hoch, doch seine Stimme klang milde, als er sagte: „Ist ja nicht das erste Mal, Frau Neumann. Und ich mache es gerne.“
    Beinahe wartete er darauf, dass sie ihm ein Eis anbot, wie sie es früher getan hatte, wenn er etwas für sie erledigt hatte. Sie verzichtete jedoch auf das Angebot und sagte statt dessen: „Deine Mutter sagt, du arbeitest nebenher in einer Gärtnerei?“
    Nebenher ... interessante Wortwahl.
    „Äh ... ja. In einem Betrieb für Garten-und Landschaftsbau - manchmal arbeite ich dort ...“, sagte er unbestimmt und hoffte, dass sie ihn nicht fragte, was er denn tat, wenn er nicht nebenher dort arbeitete.
    Frau Neumann kam nun zu ihm, um die heruntergefallenen Stücke aufzusammeln. Gerade als sie sich bücken wollte, sagte sie erschreckt: „Du blutest ja, Daniel! Soll ich dir ein Pflaster holen?“
    Sofort schaltete sich seine Mutter ein und bedrängte Daniel nun regelrecht, ins Haus zu gehen, um die Wunde ordentlich zu desinfizieren und sich ein Pflaster aus dem Arzneischrank zu nehmen.
    Daniel wusste nicht, ob seine Nachbarin dieses Verhalten seltsam fand, doch ihm war völlig klar, warum seine Mutter so reagierte. Sein Blut schien ihr potenziell gefährlich — er schien ihr potenziell gefährlich! Es gab offenbar Momente, in denen ihr seine Homosexualität durchaus bewusst war. Nun gut, sie sprach zugegebenermaßen ab und an mit ihm darüber, so wie neulich am Telefon. Allerdings nur, um ihm zu sagen, dass er seinen Freund nicht mitbringen sollte, und um ihn daran zu erinnern, wie gefährlich er lebte.
    Es fühlte sich merkwürdig an — dieser Drang, sich verteidigen zu wollen, in dem Wissen, dass dies die unsichtbare Grenze durchbrechen würde, die seine Mutter so gerne gewahrt wissen wollte. Also ließ er es, ging ins Haus und versorgte die Wunde, wie von ihr vorgeschlagen. Als er den Flur durchquerte, um die Treppe hinaufgehen zu können, sah er seinen Vater im Wohnzimmer in einem Sessel sitzen.
    „Hallo Papa“, rief er und blieb einen Moment stehen. Sein Vater hob erst den Kopf und dann halb die Hand zum Gruß. Es traf Daniel, ihn so kraftlos zu sehen. Er wirkte viel älter, als er eigentlich war.
    Sein Vater hatte seit ihrem letzten Treffen scheinbar enorm abgebaut. Und plötzlich schoss Daniel durch den Kopf, dass seine Mutter vielleicht mit ihrer Vermutung recht hatte, dass die Wahrheit seinen Vater tatsächlich umbringen konnte. Doch auch für ihn galt, dass er sie kannte, nur dass er sie noch wesentlich rigoroser verdrängte, als Daniels Mutter es tat.
    Als er seine Wunde versorgt hatte, ging er die Treppen wieder hinab, an den alten Kinderfotos von ihm und Thomas vorbei, die im Flur hingen, um seiner Mutter im Esszimmer beim Tischdecken zu helfen. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich mit besorgtem Blick zu ihm zu beugen und zu flüstern: „Dein Vater hat neue Medikamente bekommen. Der Arzt sagt, es dauert etwas, bis er sich darauf einstellt. Sie machen ihn müde und gereizt.“
    Müde und gereizt klang nicht gerade nach einer guten Mischung, befand Daniel. Auch die dunkelgrünen Augen seiner Mutter wirkten müde und stumpf.
    „Vielleicht sollte er andere Medikamente bekommen“, erwiderte Daniel, doch seine Mutter schüttelte schon den Kopf. „Der Arzt sagt, es seien die richtigen, sobald er darauf eingestellt ist.“
    Als sie bei Tisch saßen, und Daniel den Sauerbraten aß, dessen zartes Fleisch ihm beinahe von selbst auf der Zunge zerging, fragte seine Mutter im Plauderton: „Was macht deine Malerei?“ Er sah sie irritiert an.
    Während sie einen Kloß mit

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