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Wie im Film

Wie im Film

Titel: Wie im Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Julian
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Schwein anzusehen, oder sich gleich von ihm abzuwenden. Es mochte den ein oder anderen geben, der begreifen würde, dass er immer noch der Daniel von früher war, der Äpfel geklaut, und mit seinem Bruder gemeinsam Skateboardparcours gebaut hatte. Aber unter dem Strich wäre das hier eine unbedeutende Zahl an Leuten gewesen, die ihn so akzeptiert hätten, wie er war. In Köln hingegen krähte kein Hahn nach seiner Veranlagung — im Gegenteil, gab es doch dort einen Homosexuellenanteil, der ihn keineswegs zu einem Außenseiter machte.
    Daniel bog auf eine der wenig befahrenen Straßen ab, die nur Einheimischen als Abkürzung bekannt war. Sein Blick fiel auf ein Kreuz am Straßenrand und ein Meer aus Blumen, das vor einer der alten Eichen drapiert war. Der Baum selbst war schwer verwundet worden und Daniel mochte sich kaum vorstellen, wie zerstörerisch die Kräfte gewesen sein mussten, die hier offensichtlich auf einen Menschen tödlich eingewirkt hatten. Es war immer merkwürdig, an einer solchen Stelle vorbei zu fahren und Daniel ging automatisch ein wenig vom Gas.
    Als er in die Straße seines Elternhauses einbog, war er bereits gedanklich in die Rolle des Sohnes geschlüpft, mit allem, was dazugehörte ... oder besser, was eben nicht dazugehörte. Gespräche über Eric gehörten definitiv nicht zu dieser Rolle, und Daniel seufzte leise, als er vor dem Reihenhaus seiner Kindheit parkte. Schöne Vorgärten, pflegeleicht, so sollte man jedenfalls meinen. Die Nachbarn besaßen einen neuen Mercedes, eine finnische Sauna im Keller, einen Pool im Garten, nur eine Rosenschere schienen sie nicht zu besitzen. Daniel wandte den Blick vom edlen, aber inzwischen völlig entkräfteten Rosenstock ab, um keine Depressionen bei dem Anblick zu bekommen.
    Er war froh, dass sich niemand von den Nachbarn blicken ließ, und betätigte schnell die Klingel, bevor sich das ändern würde. Daniel bekam in Gesprächen mit den Leuten seines Heimatdorfes immer wieder aufs Neue bestätigt, dass seine Eltern eine
    Fassade aufrecht erhielten, die suggerieren sollte, er habe nur die richtige Frau noch nicht gefunden. Er wusste, dass sie das selbst glaubten, und er war noch jung genug, um ihre irrige Ansicht unabsichtlich zu untermauern. Mit zunehmendem Alter würde sich das ändern, und irgendwann würden sie der Tatsache ins Auge sehen müssen, dass ein Mann wie Eric ihren Sohn glücklich machte — dass er mit ihm zusammenlebte, dass er mit ihm zusammen bleiben wollte — dass er Sex mit ihm hatte, verdammt noch mal, und es genoss! Dass er diese körperlichen Freuden ersehnte und ihn so lange vögeln, oder von ihm gevögelt werden wollte, bis sie beide völlig erschöpft und ausgepumpt waren. Daniel fluchte lautlos. Soviel also zu dem Thema, dass er in seine Sohn-Rolle geschlüpft wäre. Ein einziger Gedanke an Eric genügte, um ihm eine Erektion zu bescheren, die in seinem Falle nicht nur schmerzhaft, sondern auch überaus gut sichtbar war. Während er wartete, dass ihm die Tür auf sein Läuten hin geöffnet wurde, sah er zu dem Rosenstock der Nachbarn, in der Hoffnung, dass ihn das wieder runter holen würde. Das wirkte nur leidlich. Er fluchte erneut — diesmal hörbar — und im gleichen Moment wurde die Tür geöffnet.
    „Mama!“, stieß er zur Begrüßung so verkrampft und laut aus, dass sie zurückzuckte.
    „Daniel, da bist du ja endlich. Wie war die Fahrt?“
    Er musste unbedingt verhindern, dass sie den üblichen visuellen Ganzkörpercheck bei ihm durchführte, bei dem sie ihm immer einimpfte, er würde zu wenig essen.
    „Gib mir unsere Rosenschere! — Danke!“, sagte er knapp, wandte sich ab und ging durch den Vorgarten, bis er den Rosenstock der Nachbarn problemlos erreichen konnte.
    Seine Mutter seufzte hörbar, kam seiner beinahe schon harschen Aufforderung aber nach.
    Daniel wusste, dass die Lage heikel war. Er hatte sich zwar ein wenig Zeit verschafft, aber vermutlich würden nun innerhalb von Minuten auch die Nachbarn auf dem Plan stehen.
    Dumme Situation, in einem Vorgarten zu stehen, mit einem Mordsständer in der Hose und darauf zu vertrauen, dass eine Rose einem die Rettung bringen konnte.
    Aber seine Verbündete bot ihm tatsächlich alles, was er dazu be-nötigte. Er biss die Zähne fest aufeinander, dann rammte er seinen Daumen in einen der großen Stachel. Der Schmerz durchzuckte ihn sofort und ließ seine Erektion schmelzen wie Butter in der Sonne. Das austretende Blut an seinem Daumen war so rot wie die Rosen,

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