Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
erwischt. Heute soll ich zum ersten Mal in die Schule. Als die nassen Streifen getrocknet sind, legt er ein Schulheft an meinen Platz. Dann einen Bleistift, einen ganz neuen, roten, mit goldenen Streifen. Er drückt den Daumen auf die Spitze, lächelt zufrieden und legt den Stift neben das Heft. Und einen Radiergummi. Im Laden hielt er ihn hoch und fragte: »Hast du vor, Fehler zu machen? Nein?« Dann lächelte er. Außerdem bekam ich ein Buch über Dinosaurier, das ich mir lange angeschaut hatte, eine Frühstücksdose mit einem grinsenden Traktor drauf und eine Trinkflasche ohne Bilder.
All dies kauften wir am Samstag in einem großen Buchladen in der Stadt. Wir haben es gekauft, aber mein Vater hat nie Geld aus der Tasche gezogen. Er hat mir einmal erklärt, dass es vielleicht aussehen könnte, als würden wir stehlen, aber wir nähmen nur, was wir dringend brauchten, und das sei nicht schlimm. Außerdem muss man sich dann nicht an der Kasse anstellen.
Auf dem Heimweg gingen wir in ein kleines Kino. Mein Vater bat mich, draußen zu warten, während er mit der Frau hinterm Schalter redete. Ich konnte nicht hören, was sie sprachen, aber ich sah, dass er auf mich zeigte. Die Frau lächelte, ich lächelte zurück. Wir bekamen zwei Karten, und auch diesmal zog er kein Geld aus der Tasche.
Ich hatte gehofft, der Film würde von einem Roboter handeln. Überall in der Stadt hängen die Plakate mit dem Roboter und dem Jungen in meinem Alter. Sie sehen aus wie gute Freunde. Aber der Film war in Schwarz-Weiß und ohne Ton, und als sie das Mädchen verbrennen wollten, musste ich weinen.
Mein Vater setzt sich gegenüber an den Tisch. Er zündet eine Selbstgedrehte an, trinkt einen Schluck Kaffee und sieht mich an.
»Na, was möchtest du heute lernen?«
»Zahlen«, sage ich.
Mein Vater bringt mir jeden Tag eine Zahl bei. Ich kann schon bis zehn zählen, sogar bis hundert, aber er sagt, das sei nicht genug. Wir fangen bei eins an. »Die kleinste Zahl«, sagt mein Vater. »Und vielleicht auch die größte. Früher hat man sie mit Gott verbunden. Ein Gott. Eine heilige Zahl. Heute hat man diese Bedeutung vergessen. Deshalb gehst du nicht mit den anderen in die Schule. Weil sie vergessen haben, was die Dinge bedeuten. Sie sehen nur einen Apfel. Oder ein Fahrrad. Alles andere ist ihnen egal.«
E s klopft leise an der Tür. Ein kleiner Vogel, der Körner pickt, tock, tock, tock. Dann wird das Klopfen lauter, wie ein Vermieter, der sein Geld nicht bekommen hat. Ich darf nicht öffnen, wenn ich nicht weiß, wer es ist.
»Komisch, da ist ja gar kein Namensschild an der Tür.« Es ist der Junge mit den dunklen Haaren, ich erkenne seine Stimme. »Alle haben Namensschilder, warum habt ihr keins?«
Es wird wieder still im Treppenhaus, ich hoffe, er ist gegangen, aber ich habe keine Schritte auf der Treppe gehört. Ich halte die Luft an, dann höre ich einen seltsamen Laut, als würde er an der Tür kratzen.
»Ich fürchte, das muss ich verraten. Vielleicht frage ich meine Eltern, warum ihr kein Namensschild habt.«
Ich krieche unter dem Tisch hervor, öffne die Tür und folge ihm die Treppe hinunter. Er hält mich an der Hand, als wir den Hof überqueren und zum Tor hinausgehen.
Der Junge spießt ein Stück Hundedreck mit einem Stock auf, es sieht aus wie ein Maiskolben. Wir stehen auf der Straße vor dem Nachbarhaus.
»Ich weiß nicht, wie sie mit Nachnamen heißen«, sagt er und schmiert die Kacke über die Klingeln.
»Aber sie schauen mich schräg an in der Schule und rufen mir fiese Sachen hinterher.«
Er verkleistert den Knopf neben »I und H Madsen«.
»Wir schmieren die Scheiße einfach über alle Klingeln.«
Wir gehen zum nächsten Treppenaufgang. Er stopft Scheiße in die Ritzen, bis alle Knöpfe braun sind.
Als wir um die Ecke kommen, finden wir keinen Hundedreck mehr. Der Junge kauert sich in eine Einfahrt, lässt die Hose herunter und drückt und stöhnt. »Wir können jetzt nicht aufhören. Kann sein, dass die Richtigen noch keine Scheiße abbekommen haben. Was ist dann mit den armen Schweinen, die ohne Grund in die Scheiße greifen? Das verstehst du doch, oder?«
Jeden Tag wartet der Junge im Hof auf mich.
»Auf dich ist Verlass«, sagt er, als ich hinunterkomme. Dabei tue ich es nur ungern, ich verspäte mich absichtlich, bleibe am Tisch sitzen, zeichne und sehe auf die Uhr. Trotzdem steht er immer da, wenn ich komme.
Wir spielen »Kaninchenquetschen«. Ich muss in die Luft hüpfen, und er muss die
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