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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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Ihre Augen strahlen, während sie redet. Mein Vater ist ganz still, er sucht nicht nach Zigaretten und tritt nicht von Bein zu Bein wie sonst, wenn er sich langweilt.
    Als die Frau die Rede beendet hat, tritt sie ein paar Schritte vom Mikrofon zurück und lächelt, als wolle sie um Entschuldigung bitten. Alle klatschen, der Applaus nimmt kein Ende.
    Ich glaube, mein Vater hat vergessen, dass ich auf seinen Schultern sitze, er bleibt stehen und starrt auf die leere Bühne. Erst als Sara seinen Arm nimmt, lässt er mich herunter, hebt die Plastiktüte auf, und wir gehen.
    »Ich sagte doch, dass sie nicht so ist wie die anderen Politiker«, lacht Sara.

E in lautes Poltern in der Küche weckt mich, und ich höre meinen Vater fluchen. Wieder hat er sich den Zeh am Tischbein gestoßen. Einen Augenblick später steht er in der Tür zu meinem Zimmer: »Ich bin gleich zurück, ich bringe Brot mit.«
    Mein Vater hat das Geschirr von gestern stehengelassen, also erledige ich den Abwasch. Als er wiederkommt, hat er einen großen Stapel Zeitungen unter dem Arm, aber kein Brot. Ich sage nichts, weil wir noch Haferbrei und Milch im Kühlschrank haben.
    Mein Vater schenkt sich Kaffee ein und nimmt die erste Zeitung vom Stapel. Er beugt sich über die Seiten. Wenn er etwas Interessantes findet, greift er zur Schere.
    Nachdem ich meinen Haferbrei gegessen habe, versuche ich, das Gespenst des alten Mannes zu zeichnen, der vor uns hier gewohnt hat. Ich zeichne es genauso durchsichtig wie den Rauch, der aus seinem Mund kommt. Dann nehme ich den Zeichenblock mit in den Hof. Ich zeichne die Vögel, die in den Bäumen sitzen. Ich zeichne die Katzen, die auf der Jagd nach Ratten um die Schuppen schleichen. Dann verpasse ich einer Taube einen Katzenkopf, und das Bild gefällt mir. Die Katze, die von der Mülltonne springt, bekommt einen Taubenkopf mit geöffnetem Schnabel.
    Nach ein paar Stunden gehe ich wieder in die Wohnung. Mein Vater sitzt immer noch am Tisch und liest Zeitung. Ich leere seinen Aschenbecher. Der letzte Schluck Kaffee in der Glaskanne ist eingetrocknet, ich stelle sie in die Spüle und fülle sie mit Wasser.
    Draußen geht die Sonne unter, ich mache das Licht über dem Tisch an. Mein Vater reibt sich die Augen, nimmt die Jacke von der Stuhllehne und sagt, dass wir uns auf den Weg machen müssten.
    An diesem Abend bedient er das Lichtpult sehr langsam. Ich weiß nicht, ob die Schauspieler es merken, sie sind wahrscheinlich zu beschäftigt mit ihrem Text. Aber ich merke es. Normalerweise hat er die Hände an den Knöpfen und zählt still vor sich hin oder flüstert die Worte der Schauspieler mit. Heute sind seine Augen halb geschlossen, und er vergisst die Zigarette im Aschenbecher. Ich rieche den angebrannten Filter.
    Nach der Vorstellung küsst er Sara und sagt, er sei müde. Gleichzeitig mit den letzten Zuschauern verlassen wir das Theater. Winzige Tropfen fliegen durch die Luft, legen sich auf die Wangen und machen die Haare feucht. Ich frage meinen Vater, wo wir hingehen. »Wir gehen nur ein bisschen spazieren«, sagt er. Wir essen an einer Würstchenbude, und als ich den letzten Bissen von meinem Hotdog kaue, sagt mein Vater, dass wir weitermüssen. Die ersten Zeitungen kommen kurz nach Mitternacht, er kauft sie am Bahnhofskiosk, außerdem einen Stapel Wochenblätter, Zigaretten und für mich ein Comicheft.
    Als ich ins Bett gehe, sitzt mein Vater wieder am Tisch, ich schlafe zum Klappern der Schere ein.

A uf den Bildschirmen stehen Hirsche im Wald, das Laub ist gelb. Ein Mann in grüner Kleidung tritt vor die Tiere und füllt fast das ganze Bild. Er zeigt auf die Hirsche hinter sich. Der Ton ist abgestellt, aber es sieht aus, als würde er flüstern.
    Mein Vater geht von Fernseher zu Fernseher, tritt einen Schritt zurück und kneift die Augen zusammen. Er drückt ein paar Knöpfe, weicht wieder nach hinten und betrachtet den Bildschirm. Er sagt: »Sieh dir die Farben an.« Er sagt: »Sind die nicht ein bisschen verschwommen?«
    Schließlich zieht er einen weißen Briefumschlag aus der Tasche und leert ihn. Der Apparat, den wir kaufen, ist groß, mein Vater trägt ihn nach Hause, eine Locke fällt ihm immer wieder in die Stirn, er bläst sie zur Seite. Ich bin enttäuscht, dass heute nicht mehr Menschen auf der Straße sind. Die Leute sollen uns Platz machen und auf den Radweg ausweichen, wenn wir kommen. Sie sollen sehen, was wir gekauft haben.
    Ich nehme mir vor, den ganzen Sommer lang Fernsehen zu gucken. Ich will

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