Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
für den Schulhof bereit sein, sicher sehen die anderen Kinder viel fern, vielleicht sogar die ganze Zeit.
Ich mache belegte Brote, während mein Vater die Gebrauchsanweisung liest. Ich reiche ihm eins mit Leberpastete, er drückt auf die Fernbedienung und murmelt: »Warum will das Ding nicht?« Erst spät am Abend bekommt er das Testbild auf den Bildschirm.
Von da an läuft der Fernseher ununterbrochen. Meist ist der Ton abgestellt, aber wenn Nachrichten kommen, dreht mein Vater auf. So laut wie die Fernseher der alten Leute, die hier wohnen. Ich könnte »Feuer!« schreien, und er würde mich nicht hören. Wenn der Wetterbericht beginnt, trinkt er seine Tasse aus und lächelt mich an, als wäre er gerade erst heimgekommen. Er dreht den Ton wieder ab, ich frage, warum er den Apparat nicht ganz abschalte. »Sondersendungen«, sagt er. »Wenn etwas ganz Wichtiges passiert, unterbrechen sie das Programm.« Ich solle doch bitte darauf achten. Dann liest er weiter in den Tageszeitungen.
Ich dachte, ich würde das Kinderprogramm schauen können, aber nun sitze ich hier und warte darauf, dass das Programm von einem Mann im Anzug unterbrochen wird und eine Sondersendung kommt. Ich fürchte, dass ich wie angenagelt sitzen bleiben und meinen Vater nicht rufen würde, wenn es so weit wäre – wie in den Träumen, in denen der Eisbär immer näher kommt und ich mich nicht vom Fleck rühren kann.
Ich übe. Wenn mein Vater zum Kiosk geht, rufe ich »Sondersendung!«. Wenn ich auf die Toilette gehe, flüstere ich das Wort. Kurz vorm Einschlafen sage ich es in die Bettdecke, Sondersendung.
M ein Vater hängt die Zeitungsausschnitte an die Wand. Ständig sortiert er sie neu. Er verbindet sie mit Kugelschreiber, blaue Striche und Pfeile ziehen sich in allen Richtungen über die Tapete.
Auf fast allen Ausschnitten sehe ich die Frau, die Monika heißt und der wir im Park zugehört haben. Ihr Name steht in großen Buchstaben, sie lächelt auf uns hinab.
Mein Vater sagt: »Lass mir noch ein paar Tage Zeit … vielleicht täusche ich mich ja.«
Er zeichnet einen neuen Strich auf die Tapete.
»Vielleicht male ich ja den Teufel an die Wand.«
»Ich habe Hunger«, sage ich.
»Ja.« Er vertauscht zwei Ausschnitte. »Willst du nicht heute kochen?«
»Und wenn …«
»Versuch es einfach. Wenn irgendwas anbrennt, haben wir ja Wasserhähne.«
Ich stelle Töpfe auf den Herd und hole Essen aus dem Kühlschrank. Die Margarine zischt in der Pfanne. Ich trinke ein Glas Wasser und tue, als wäre es Bier. An diesem Abend koche ich Spaghetti mit gebackenen Rosinen. Wir essen vor dem Fernseher. Es schmeckt nicht besonders gut, aber mein Vater isst seinen Teller leer und sagt »lecker«, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. Morgen versuche ich es mit Spinat.
Ich koche nie zweimal dasselbe. Ich koche Reis mit gebratenen Zwiebeln. Ich koche Kartoffeln mit Dorschrogen.
Ich sage meinem Vater, dass der Küchenschrank fast leer sei. Er zeigt auf die Kaffeedose auf dem Küchentisch, in der das Geld liegt.
Bis jetzt bin ich nur dann allein im Laden an der Ecke gewesen, wenn mein Vater mir Geld für ein Eis gegeben und auf der Straße gewartet hat.
Nun stehe ich vor Regalen voller Tüten mit Soße, die man in Wasser rührt, Dosen mit Obst, Dosen mit Erbsen und Karotten. JAKA BOV steht auf einer der Dosen. Wenn ich sie kaufe, kann ich kaum etwas anderes tragen, so groß ist sie. Und sie ist ein bisschen zu teuer. Aber man kann das Fleisch braten oder einfach so aufs Brot legen. Ich stehe lange vor dem Regal und überlege, bis der Kaufmann im Kittel zu mir kommt und fragt, ob er mir helfen könne.
Ich rassle mit den Münzen in der Tasche, damit er nicht denkt, ich wolle klauen. Er lächelt nur und geht weiter.
Ich stehe an der Kasse und versuche, das Geld zu zählen. Meine Hände schwitzen, ich musste noch nie rechnen, wenn jemand anders als mein Vater zusieht. »Soll ich dir helfen?«, fragt der Kaufmann. Mein Vater sagt immer, dass Geld und Menschen nicht zusammenpassen, weil das Geld die Menschen merkwürdig mache. Trotzdem lege ich die Münzen auf die Theke. Der Kaufmann zählt sie langsam, damit ich mitkomme.
Ich brate das Fleisch auf beiden Seiten und lege Erbsen und Karotten darüber. Heute ist das Essen fertig, bevor die Nachrichten beginnen.
Wenn etwas über Afrika kommt, sagt mein Vater, ich solle wegsehen.
Wenn etwas über die Politikerin namens Monika kommt, hält er den Finger vor den Mund. Im Fernsehen werden die Leute
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