Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
auf der Straße gefragt, was sie von ihr halten.
»Ich habe schon seit vielen Jahren nicht mehr gewählt, aber dieses Mal bekommt sie meine Stimme.«
Mir fällt auf, dass fast alle sie Monika nennen, als wären sie gerade bei ihr daheim gewesen.
Andere nennen sie »Die Schwedin«, weil ihre Eltern Schweden sind. Das klingt zwar wie ein Kosename, aber manche schnauben verächtlich: »Diese Schwedin, die will ja die ganze Welt retten.«
Monika wird nicht wütend, sie lacht: »Hauptsache, sie hören mir zu.«
Ich mag ihre Stimme.
Ich sage meinem Vater, dass sie mir nett vorkommt.
»Ja«, antwortet er. »Ja, das stimmt.« Er notiert etwas auf einen Zettel und schaut weiter auf den Bildschirm.
S uchst du etwas Bestimmtes?«
Der Bibliothekar sieht aus, als wäre es lustig, dass ich hier bei Regal 64.1 stehe. Das Regal mit den Kochbüchern. Am liebsten würde ich ihm ins Schienbein treten und davonlaufen. »Ich koche daheim das Abendessen«, sage ich, aber der Bibliothekar lächelt dumm weiter.
»Wir haben ein paar Kochbücher drüben in der Kinderbibliothek, mit schönen Bildern. Zum Beispiel Mein erstes Kochbuch, vielleicht wäre das …«
»Sind das hier richtige Kochbücher?«
»Äh … ja.« Er bleibt stehen, tritt von einem Fuß auf den anderen. »Du musst nur sagen, wenn ich dir irgendwie helfen kann.« Dann ist er verschwunden.
Ich nehme die ersten fünf Kochbücher aus dem Regal und trage sie zum nächsten Tisch. Ich blättere sie durch und finde schnell heraus, dass ich am liebsten die mit Farbbildern mag, die zeigen, wie das Essen am Schluss aussehen soll. Ich schreibe ein paar Dinge ab. Wie brät man ein gutes Steak, wie macht man Béchamelsoße und so weiter. Ich will ein guter Koch werden, das habe ich beschlossen. Ich habe viel zu viel Salz in das Essen meines Vaters getan. So viel, dass ich es selbst nicht essen würde, aber er hat es heruntergeschaufelt, ohne den Blick vom Fernseher oder von den Zeitungen abzuwenden.
Das soll nicht wieder passieren. Von jetzt an will ich gutes Essen nach Rezepten machen . Kochen, dass die Engel singen, das sagt mein Vater manchmal, wenn wir essen gehen. Es schmeckt so lecker, dass die Engel singen.
Ich stelle die Bücher zurück und hole ein neues, es ist größer und so schwer, dass ich es fast fallen lasse. Ich schleppe es an den Tisch. Nach ein paar Seiten weiß ich, dass dies das Buch ist, nach dem ich gesucht habe. Hier stehen alle Gerichte drin, die ich kochen will, Frikadellen und Bœuf Stroganoff, Würstchen im Teigmantel und Zwiebelsuppe. Alle mit großen Farbbildern.
Mein Vater sitzt im Lesesaal, umgeben von Zeitungen aus den letzten Jahren. Eine kleine Höhle aus Papier. Als ich das Buch auf den Tisch lege, fliegt die Zeitung auf, die er gerade liest.
Mein Vater dreht das Kochbuch, sodass er den Titel lesen kann, dann sieht er mich an. »Du weißt, dass wir keinen Leihausweis haben?«
Alle gehen zur Ausleihe, Jungen und Mädchen in meinem Alter, Erwachsene und alte Leute mit Stapeln von Büchern. Sie leihen sie aus, massenweise.
»Ich kann dir Geld zum Kopieren geben, wenn du ein paar Rezepte …«
»Ich möchte dieses Buch gern ausleihen.« Ich versuche, nicht zu weinen, nicht hier in der Bibliothek. Aber ich spüre es kommen, meine Augen werden trüb. Ich will zur Schule gehen wie alle anderen, ich will Bücher ausleihen wie alle anderen. Das versuche ich meinem Vater zu sagen, aber es kommt nur ein lautes Schluchzen heraus.
Er steht auf. »Natürlich darfst du es mitnehmen. Warte hier.«
Er nimmt das Buch und verschwindet hinter den Regalen.
Mein Vater bleibt lange weg, vielleicht besorgt er mir einen Leihausweis. Vielleicht redet er mit der Bibliothekarin. Nimmt sie bei der Hand.
Er kommt zurück, ohne Buch.
»Geht in Ordnung«, sagt er, nimmt die Jeansjacke von der Stuhllehne und legt die Zeitungen zusammen.
»Lass uns gehen.«
Wir gehen an der Ausleihe vorbei, aber das Buch liegt nicht dort. Ich will etwas sagen, aber mein Vater zieht mich weiter.
Wir verlassen die Bibliothek, mein Vater kramt in den Taschen. Fast erwarte ich, dass er das Buch wie ein Zauberkünstler aus der Jacke zieht, aber zum Vorschein kommt nur ein zerknülltes Päckchen Zigaretten.
Dann geht er weiter. Ich folge ihm um die Bibliothek herum. Mein Vater schaut in die Büsche, steckt die Hand zwischen die Zweige. Das Kochbuch kommt hervor, mein Vater wischt Erde und Blätter vom Umschlag. Ich schaue hinauf und sehe, dass ein Fenster geöffnet ist. Mein
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