Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
ich einfach direkt nach Papieren. Zuerst dachte ich, der Mann hinter der Theke hätte mich nicht verstanden. Er rauchte und musterte mich, während die Pizza im Ofen war und ich in einer alten Zeitung blätterte.
Ich war schon auf dem Weg nach draußen, als er sagte, ich solle die Quittung nicht vergessen.
Auf dem Zettel stand die Adresse eines Gemüsehändlers in Østerbro. Er sagte, ich solle von Öztürk grüßen.
Die Papiere waren teuer, aber echt. Ich war jetzt einundzwanzig und hieß Mehmet Faruk. Ich bekam eine Geburtsurkunde und eine Versicherungskarte zusammen mit dem Ehrenwort, dass Mehmet Faruk nicht mehr Mehmet Faruk sei. Er habe die falsche Frau geschwängert und sei außer Landes geflüchtet. Vielleicht liegt er auch in einem Moor.
Mit den Papieren bekam ich einen neuen Pass und ein Bankkonto. Ich ging aufs Arbeitsamt und begann als Postbote. Später kam ich ins Verteilerzentrum.
Nach der ersten Schicht trank ich mit den anderen Postarbeitern im Bären Bier. Sie sagten, ich sähe nicht besonders türkisch aus. Ich erklärte, dass ich nur halber Türke sei, meine Mutter sei Dänin. Das Gen für rote Haare sei einfach nicht totzukriegen. Nach ein paar Bier sagten sie, ja, vielleicht, wenn man genau hinschaue, sehe man es.
Ich lege die Hand auf die Türklinke, atme tief ein und betrete das Büro des Chefs.
Er ist allein. Es riecht nach Zigaretten. An der Wand hängt ein Kalender mit Kränen.
»Mein Sohn ist Kranführer«, sagt er und bedeutet mir, dass ich mich setzen soll.
Der Chef war früher Maurermeister. Er hatte einen eigenen Betrieb, bis der Rücken nicht mehr mitmachte. Dann wurde er umgeschult.
»Vielleicht irre ich mich.« Der Chef zeigt auf den Stapel Papiere, der vor ihm liegt. »Aber ich habe alles mehrmals nachgeprüft, und …« Er sieht mich an, hofft, dass ich selbst etwas sage. Dass ich zusammenbreche und gestehe. Ich beiße die Zähne zusammen.
»Ist es wirklich wahr, dass du keinen Urlaub genommen hast, seit wir dich eingestellt haben? Nicht einen einzigen Tag?«
Ich schlucke und nicke.
»Es könnte mir ja egal sein, aber wir haben die Gewerkschaft im Nacken. Die glauben nämlich, wir wollen euch zu Tode schinden.« Er grinst. Dann hebt er die großen, buschigen Augenbrauen.
»Du musst jetzt wirklich deinen Urlaub nehmen.« Er schiebt einen Urlaubsantrag über den Tisch, die erste Zeile ist bereits ausgefüllt. Mehmet Faruk, steht dort.
Ich will aufstehen.
»Noch etwas, wenn du schon mal hier sitzt. Du arbeitest zusammen mit Kasper Rasmussen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Der Betriebsrat würde ausflippen, wenn er wüsste, dass ich dich frage. Aber trotzdem … Macht er seine Arbeit gut?«
»Ja.«
»Ich meine …«
Er sucht nach Worten, muss sich vorsichtiger ausdrücken als früher auf der Baustelle.
»Ist dir nie aufgefallen, ob er irgendwelche Sachen macht, die man vielleicht als … unnormal bezeichnen könnte? Irgendwas Merkwürdiges?«
»Nein … Oder doch …«
»Ja?«
»Ach, das ist wahrscheinlich nichts.«
»Es bleibt natürlich unter uns.«
»Wenn wir Pause haben …«
»Ja?«
Der Chef sieht mich an. Seine Augenbrauen hängen in der Luft, groß wie Möwenflügel.
»Er setzt nicht immer neuen Kaffee auf, wenn er die letzte Tasse trinkt.«
»Äh … gut.«
»Das steht ja auf dem Schild …«
»Ja, danke … gut zu wissen.«
Ich gehe zurück an meinen Platz.
Kasper grinst mich an.
»Wollen sie dich etwa heim in die Türkei schicken?«
In der Pause fülle ich den Urlaubsantrag aus und gebe ihn dem Abteilungsleiter.
I ch ziehe die Jacke an. Trinke den Pulverkaffee aus. Es ist kurz vor elf, ich bin gerade am Bahnhof vorbei und sehe das Verteilerzentrum, als mir klar wird, dass mein Urlaub heute beginnt.
Die erste Stunde trinke ich allein, dann setzt sich ein Mann neben mich an die Theke.
Sein Haut ist wohlgepflegt, seine Kleider sauber und frisch gebügelt, obwohl es nach Mitternacht ist.
Erst trinken wir jeder für sich. Dann stoßen wir miteinander an. Dann erzählt er, dass er Fotograf sei.
Er habe den ganzen Abend nach dem richtigen Motiv gesucht. Er spendiert eine Runde und schaut an sich herab.
»Ich bin nicht schwul«, sagt er, als hätte er gerade erkannt, wie ich auf die Idee kommen könnte.
»Ich mache Bilder von schlafenden Frauen.«
Ich will gerade fragen, da nickt er und erzählt weiter.
»Das Schwierigste ist natürlich, sie mit nach Hause zu kriegen. Da muss man zuverlässig aussehen.«
Das Licht blinkt, die letzte
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