Wie Kinder heute lernen
hatte einen Ball! Körperliche Bewegung ist, wir erinnern uns, nicht nur ein wichtiger Faktor für die Gesundheit generell, sondern auch für die optimale Reifung des Gehirns und dessen Durchblutung (siehe auch Kapitel 3.1, »Ernährung und Bewegung«).
Ein weiteres Problem intensiver Medienbenutzung ist die mögliche Einschränkung der Lern- und Gedächtnisleistung von Kindern. Vieles von dem, was Kinder morgens in der Schule lernen und bei den Hausaufgaben verarbeiten, wird erst innerhalb der nächsten zwölf Stunden in das Langzeitgedächtnis überführt. Dieser Übergang wird davon beeinflusst, was ein Kind in den Stunden nach dem Erlernen von Wissen emotional erlebt. Und hier haben sich gerade Computerspiele als schädlich für die Menge an Informationen erwiesen, die aus dem morgendlichen Schulstoff in das Langzeitgedächtnis überführt werden können. Wenn Kinder also nach den Hausaufgaben aufreibende oder gar schockierende Film- oder Computerszenen betrachten, die sie emotional in den Bann ziehen, verdrängt dies sehr leicht die Erinnerungen, die im
Kurzzeitgedächtnis gespeichert wurden. Kein Wunder, dass bei der emotionalen Wucht heutiger Film- und Computerspielszenen die Lerninhalte schnell verblassen. Begehen Kinder zudem den Fehler, sich vor dem Einschlafen noch Horror- oder Actionfilme anzusehen, können darüber hinaus bestimmte Schlafphasen gestört werden, die für die nächtliche Gedächtnisarbeit wichtig sind.
Darüber hinaus gibt es für eine Minderheit der Jugendlichen (etwa fünf Prozent) noch einen anderen, sehr gefährlichen Nebeneffekt. Die Befunde aus neueren Untersuchungen sprechen dafür, dass sich vor allem bei männlichen Jugendlichen Gewaltfilme und -spiele auf ihre persönliche Gewaltbereitschaft auswirken können. Für diese Jugendlichen, die aufgrund von familiären und sozialen Belastungsfaktoren (also z. B. Gewalt in der Familie, emotionale Vernachlässigung oder Schulversagen) ohnehin als besonders gefährdet einzustufen sind, können exzessive Gewaltszenen geradezu aggressionsfördernd wirken.
Wann brauchen Kinder einen Computer?
Vieles können wir als Klein- und Grundschulkinder besser lernen als zu jedem anderen Zeitpunkt unseres Lebens. Spracherwerb ist hier nur ein Beispiel. Entsprechend wird die Vorstellung des »Je früher, desto besser« gerne auch auf den Umgang mit Computern übertragen. Aber ab wann ist es wirklich sinnvoll, Kindern den Umgang mit Computern nahezubringen? Bereits im Kindergarten, in der Grundschule oder erst danach?
Kinder lernen, indem sie mit der Umwelt in Wechselwirkung treten. Sie lernen so nicht nur zu sprechen und zu laufen, sondern auch die Bedeutung von Wärme und Zärtlichkeit vonseiten der Eltern, Gegenstände zu manipulieren, dass Objekte eine Konstanz haben und andere Menschen, ebenso wie sie selbst, Gefühle haben und zeigen. Dass Badewannenwasser heiß sein kann oder Wasser generell nass ist, kann man nur lernen, wenn man es berührt. Aber das Wasser in der Wanne hat noch mehr
Eigenschaften: Es tropft und blubbert, riecht und schäumt. Erst wenn man auch mit Wasser umgeht, bekommt man einen Gesamteindruck der Eigenschaften, die mit diesem Element zusammenhängen. Solange Kleinkinder solche Erfahrungen mit Wasser und vielen anderen Gegenständen noch nicht gemacht haben, bleiben Computerbilder, auch wenn sie noch so geräuschvoll und bunt inszeniert sind, für sie erst einmal unverständlich. Soziale Fertigkeiten lernt man am besten mit realen Spielkameraden, nicht indem man andere Kinder auf dem Bildschirm betrachtet. Der Psychiater Manfred Spitzer bezeichnet diese Computerwelten zu Recht als »verarmte Umgebung«, deren »Signale sehr schlecht korreliert sind« und die »eine Klangsoße« und eine »Bildsoße« darstellen, die dem Kind nichts nützen, um die Welt zu begreifen.
Kinder müssen in den ersten Lebensjahren im Kindergarten und auch zu Beginn der Grundschule erst ihre vollständigen und eigenen Erfahrungen mit der Welt machen, um diese richtig in ihren Gehirnen repräsentieren zu können. Erst wenn Kinder eine ungefähre Vorstellung von den Abläufen in der realen Welt mit richtigen Menschen und Gegenständen haben, können virtuelle Welten ihnen beim Lernen eine Hilfe sein. Dies ist erst gegen Ende der Grundschulzeit der Fall und immer noch früh genug, um sich mit Computern und deren Arbeitsweise vertraut zu machen.
Wie sollten Eltern den Umgang mit dem Computer begrenzen?
Elektronische Medien sind Bestandteil der Welt
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