Wie Kinder heute lernen
verbale negative Reaktion wäre beispielsweise, Michaels Verhalten zu kritisieren, indem die Eltern ihm ins Gewissen reden, sich in Zukunft besser auf eine Arbeit vorzubereiten. Eine nonverbale negative Reaktion wären Verbote. Michaels Eltern können ihm ein Fernsehverbot erteilen oder Vergünstigungen (Besuch einer Party mit anschließender Übernachtung, Erhöhung des Taschengeldes) ablehnen. Hätte Michael den Stoff der Arbeit gar nicht verstanden, oder wäre er zu nervös gewesen, um seine Leistungen unter Beweis zu stellen, hätten diese Sanktionsmöglichkeiten keinen Erfolg. Hier hilft nur eine Ursachenbekämpfung. Umso wichtiger ist es, die Ursachen des Versagens bei einer Arbeit sorgfältig zu analysieren. Was allerdings im ersten Moment, wenn das Kind seine »Note« zeigt, nicht immer ganz einfach ist. Deshalb urteilen Sie nicht vorschnell, sondern gehen Sie zusammen mit Ihrem Kind die möglichen Ursachen durch. Kleine wie größere Kinder haben oft ein gutes Gespür, warum ein Test oder eine Schulaufgabe »danebenging«. Es lohnt sich, hier eine offene Kommunikationskultur zu entwickeln. Noch besser ist es, sich dafür am Wochenende Zeit zu nehmen, wenn Vater und Mutter Zeit und Ruhe dafür haben. Wer abends von seinem Job nach Hause kommt und mit der schlechten Zensur »überfallen« wird, hat noch weniger Chancen, angemessen zu reagieren, als der Elternteil, der sich bereits seit dem Mittagessen damit auseinandersetzen konnte.
Was ist eine »Eins« wert?
Fest steht, dass Kinder auf positive oder negative Konsequenzen des eigenen Verhaltens reagieren. Untersuchungen haben ergeben, dass unmittelbare Belohnung die Leistungsbereitschaft erhöht. Kinder wollen ihre Grenzen spüren. Durch Bekräftigung, d. h. durch positive oder negative Konsequenz, erlernen Kinder Verhaltensweisen und nehmen sie in ihr Handlungsrepertoire auf.
Was können Eltern also ganz konkret tun, um auf das Verhalten ihrer Kinder adäquat zu reagieren?
Eine positive verbale Bekräftigung wäre ein Lob. Ein Kind, das eine gute Klassenarbeit geschrieben hat, ist in der Regel stolz. Diese Leistung zu würdigen zeigt, dass auch die Eltern stolz auf ihr Kind sind. Selbst bei Kindern, die ständig gute Noten in der Schule haben, sich vorbildlich im Unterricht verhalten und soziales Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen, sollten Eltern dieses positive Verhalten nicht nur einfach hinnehmen, sondern ihre Kinder dafür loben. Dieses Lob kann direkt erfolgen (»Das hast du toll gemacht«, »Ich bin stolz auf dich«) oder auch indirekt, etwa indem die Eltern die positive Leistung oder das positive Verhalten eines Kindes Großeltern oder Freunden gegenüber im Beisein des Kindes erwähnen. Allerdings sollten sie in diesem Fall genau wissen, wie ihr Kind darauf reagiert. Manchen Kindern, vor allem in der Pubertät, ist so eine öffentliche Belobigung eher peinlich.
Nonverbal kann eine Bekräftigung z. B. durch Nicken, Lächeln, ein herzliches Drücken, Küssen oder andere positive Gesten, aber auch durch materiellen Gewinn erfolgen. Unter einem materiellen Gewinn sind Geldgeschenke, Süßigkeiten oder Spielzeug zu verstehen. Welche Art der Belohnung für ein Kind die richtige ist, müssen Eltern im Einzelfall entscheiden. Viele Eltern haben ein ausgefeiltes Belohnungssystem für Klassenarbeiten entwickelt, bei dem das Kind für eine sehr gute Arbeit einen bestimmten Geldbetrag bekommt, bei einer guten Arbeit etwas weniger usw. Ab einer bestimmten Note, z. B. einer Drei minus, muss das Kind dann Geld an die Eltern zurückzahlen. Dem Erfindergeist sind hier keine Grenzen gesetzt. Die Höhe der materiellen Belohnung wird von der finanziellen Situation der Familie abhängen, aber auch von der individuellen Leistungsfähigkeit des Kindes. Ein Schüler, der mangelhafte Leistungen in Mathematik hat und ganz viel lernt, um diese zu verbessern, wird möglicherweise auch schon bei einer befriedigenden Leistung entsprechend belohnt werden (jedenfalls sollte er das).
In der Pädagogik gibt es zu dieser Art der Belohnung sehr unterschiedliche Auffassungen: Manche Erziehungswissenschaftler meinen, dass solch ein Gratifikationssystem für ein Kind unangemessen ist. Andererseits erhalten auch Angestellte für gute Leistungen oft eine finanzielle Anerkennung. Solange solche materiellen Belohnungen nicht die einzige Motivation zum Lernen sind und nicht inflationär gebraucht werden (indem das Kind z. B. für jeden Test und jede Klassenarbeit sowohl von den
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