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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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es schon dunkel war, gingen sie weiter, ein wenig betrunken, rochen das Meer und den Moder der feuchten Gemäuer. Lichterketten tupften zitternde Farben auf das schwarze Wasser der Kanäle und die glänzenden Steinplatten der Gassen. Im Judenviertel begegnete ihnen ein alter Rabbi mit weißem Bart wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt.
    «Bist du sicher, dass wir ein Hotel haben?», fragte Lauraauf der hohen Brücke über den Canale Cannaregio. Ein ununterbrochener Strom von Menschen überquerte die Brücke und füllte die breiten Straßen auf beiden Seiten des Kanals aus. Das Bild der Krähen im Nebel tauchte vor Lauras innerem Auge auf, und sie schüttelte den Kopf, um es zu verscheuchen.
    «Wir sind gleich da!», sagte Guerrini neben ihr. «Ich habe eine Überraschung für dich.»
    Kurz nach der Brücke bog er durch einen Torbogen in eine winzige Gasse ein, die von hohen Gebäuden eingefasst wurde. Das Hotel auf der rechten Seite hieß «Guerrini», und Laura lachte auf.
    «Es ist nicht besonders luxuriös», sagte Guerrini, «aber es passt genau zu uns – nicht nur wegen seines Namens!»
    Über dem kleinen Foyer hing ein so überdimensionaler Kronleuchter, dass Laura unwillkürlich den Kopf einzog. Alle Räume des Hotels waren irgendwie zu klein, die Möbel und Lampen zu groß, aber es war ungeheuer gemütlich – eine Orgie aus rotem Samt und dem Geruch vergangener Jahrhunderte.
    Ihr Zimmer lag im fünften Stock, war winzig. Neben dem großen Bett hatte kaum ihr Gepäck Platz. Aber sie fanden schnell heraus, dass sie vom Bett aus über die Stadt schauen konnten, die Kuppel einer Kirche zum Greifen nahe schien, viele Giebel und Dächer sich übereinander schoben. Still saßen sie auf der roten Samtdecke, sahen hinaus. Vielleicht, dachte Laura, vielleicht gibt es doch die Möglichkeit der Nähe. Behutsam fasste sie nach Guerrinis Hand, erzählte ihm vom alten Gottberg und seiner These, dass man sich, wenn man erwachsen ist, das Paradies selbst aufbauen müsse. Guerrini lächelte, zog sie an sich und ließ sich langsam mit ihr nach hinten sinken.
    «Fangen wir doch gleich damit an!», flüsterte er.
     
    Später am Abend wurden sie hungrig, zogen sich an und streiften in Cannaregio umher, den Düften folgend, die ab und zu durch die Gassen wehten. Feuchte Nebelschwaden krochen vom Meer her in die Kanäle, verschluckten Häuser und Kirchenkuppeln, erweckten in Laura und Angelo die Illusion, als bewegten sie sich unter einer tief hängenden Decke, als könnten sie sich die Köpfe stoßen.
    «Wir werden uns verlaufen!», sagte Laura.
    Sie blieben auf einer kleinen Brücke stehen, lauschten dem Glucksen des Wassers. Eine rote Lampe spiegelte sich verschwommen im Kanal. Irgendwo in der Ferne hupte leise ein Boot, vom Nebel erstickt. Dann war es wieder still, selbst das Glucksen hatte aufgehört.
    «Wenn Venedig jetzt unterginge, würde es mich nicht erstaunen!», flüsterte Guerrini. «Es hätte sogar eine gewisse Selbstverständlichkeit. Im Augenblick habe ich das Gefühl, als existiere die Stadt nicht mehr. Wir könnten auch auf einer Wolke stehen, auf einem Boot oder einer Insel   …»
    Laura lachte leise.
    «Das liegt an Venedig – es ist die unwirklichste Stadt, die ich kenne. Sensible Menschen sehen hier Dinge, die es gar nicht gibt. Ich hab irgendwo gelesen, dass der französische Philosoph Jean-Paul Sartre in Venedig von einer riesigen roten Languste verfolgt wurde   … eine ganze Woche lang!»
    Guerrini drehte sich um und schaute hinter sich.
    «Was?   … auch das würde mich jetzt nicht wundern   … aber ich bin trotzdem froh, dass ich keine große rote Languste sehe.»
    Er nahm Lauras Arm, zog sie weiter, die Stufen hinab und am Fondamento entlang auf ein paar bunte Lichter zu, die sich als Laternen über dem Eingang zu einer Osteria entpuppten. Als sie eintraten, nahm ihnen eine Mischung aus Fischsud und Knoblauch den Atem. Hinter der Kasse amEnde einer langen Theke saß ein sehr alter Mann, der gebieterisch winkte und ihnen einen kleinen Tisch neben der offenen Küchentür zuwies.
    «Gibt’s noch was zu essen?», fragte Guerrini.
    «
Ma certo!
Sicher doch! Wir kochen, bis niemand mehr kommt!» Der alte Mann bleckte große gelbliche Zähne und rief: «Alberto!
Dove sei?
»
    Alberto war schon da, ein schmaler Mann mit langer Nase und straff zurückgekämmten Haaren, die von Pomade klebten. Er lächelte, verbeugte sich, stellte einen Brotkorb auf das Tischchen, reichte ihnen eine

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