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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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verlangen», lachte er leise.

 
    Venedig war doch keine Illusion, obwohl es so aussah, als seine Kuppeln und Türme aus dem Nebel tauchten. Laura stand neben Angelo Guerrini am Bug des Motorboots, das sie vom Flughafen zur Stadt brachte. Es war kalt und feucht, ab und zu schwappte eine Welle zu ihnen herauf, überspülte ein paar Bänke, ließ blasigen Schaum auf dem Boden zurück. Sie waren die einzigen Passagiere des Vaporetto, die sich dem Sturm aussetzten. Alle andern drängten sich im Innern des Bootes, hinter beschlagenen Fensterscheiben. Das Wasser der Lagune war braun und gebärdete sich wie ein Ozean.
    Laura genoss die wilde Seereise, stand ganz nah neben Angelo, hielt sich an der Reling fest, hatte zum ersten Mal seit Wochen wieder das Gefühl, sich selbst zu spüren, ganz da zu sein. Je näher die Mauern der Stadt kamen, desto stärker meinte sie, etwas Unbekanntes erobern zu müssen. Wann war sie zum ersten und einzigen Mal in Venedig gewesen? Mit ihren Eltern – vor mindestens zwanzig Jahren! Eine fremde Stadt lag vor ihr und Angelo.
    An den Fondamente Nuove verließen sie das Boot, mit weichen Knien und leicht seekrank, gingen zu Fuß weiter, Lauras Trolley hinter sich herziehend, liefen einfach kreuz und quer durch schmale Gassen, über Brücken, folgten den Kanälen des Stadtteils Cannaregio, staunten über das Geschick der Bootsführer, über die Schönheit der Kirche Maria del Orto.
    «Warte einen Augenblick!», bat Laura Guerrini und schlüpfte durch das Portal, wurde aber gleich von einer jungenFrau angehalten, die in einem Holzkasten mit Glasscheibe saß.
    «Tut mir Leid!», sagte die junge Frau. «Sie müssen Eintritt bezahlen, wenn Sie die Kirche besichtigen wollen.»
    «Aber ich will sie gar nicht besichtigen!», entgegnete Laura. «Ich will nur eine Kerze stiften und der Madonna danken. Kostet das auch etwas?»
    Die junge Frau sah sie forschend an, lächelte dann und machte eine einladende Handbewegung. «Nein, das kostet nichts. Stellen Sie eine Kerze von mir dazu!»
    «Das mach ich gern!»
    Laura betrat das riesige dunkle Kirchenschiff, ging zu der hohen Madonnenstatue auf der rechten Seite. Marias Kopf war leicht geneigt und wurde von einem leuchtenden Sternenkranz eingefasst. Auf einem Metallgestell vor der Statue brannten fünf Kerzen. Laura stellte drei dazu und zündete sie sorgfältig an. Eine als Dank dafür, dass sie nicht zugestochen hatte, eine für Angelo und ihre Liebe und eine für die junge Frau an der Kasse. Sie verharrte einen Augenblick, spürte die wunderbare Stille dieses Raums, verneigte sich leicht vor der Madonna und warf zuletzt drei Euro in den Kassenschlitz. Dann lächelte sie der jungen Frau zu und kehrte zu Angelo zurück, der im Vorraum der Kirche wartete.
    «Ich wusste gar nicht, dass du fromm bist!», sagte er.
    «Unter gewissen Umständen bin ich sehr fromm!», antwortete sie.
    «Ich liebe deine Antworten!», lachte er. «Du bist wie die Sphinx. Nie langweilig!» Danach waren sie einfach froh, allein zu sein und eine ganze Woche vor sich zu haben. Stundenlang liefen sie durch die Gassen, ließen die Stadt Venedig Nähe schaffen.
    Irgendwann waren sie so durchgefroren, dass sie in einer kleinen Bar einkehrten und
vin brûlé
tranken. Der einzigeGast außer ihnen war ein alter Mann mit einem winzigen Mischlingshund.
    Der heiße Wein erzeugte ein wunderbares Gefühl von Leichtigkeit in Lauras Kopf. Sie sah Angelo zum ersten Mal in Venedig sehr bewusst an, er hielt ihrem Blick stand, und Laura versank irgendwie in seinen dunklen Augen oder im heißen Wein, erwartete hinter seinen Augen in einer anderen Welt aufzuwachen. Das laute Zischen der Kaffeemaschine holte sie zurück und das Jaulen des Hündchens, das um einen Keks bettelte.
    «Findest du wirklich, dass ich ein Kaktus bin?», fragte sie. Angelo nickte ernst. «Wüsten sind auch nicht besonders einladend!»
    «Und was machen wir da?»
    «Wir könnten es mit Bewässerung versuchen.»
    Draußen fegte der Sturm zwischen den Häusern, stülpte Regenschirme um, brachte den Flug der Tauben und Möwen zum Schlingern. Laura und Guerrini blieben neben der Heizung in der kleinen Bar sitzen, schauten zu, wie sich der Raum füllte, als es langsam Abend wurde, horchten auf die Gespräche der Einheimischen, die über das Wetter schimpften, das drohende Hochwasser, die steigenden Preise und gleichzeitig darüber lachten, weil sie wussten, dass es noch nie anders gewesen war. Laura und Angelo lachten mit ihnen.
    Erst als

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