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Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Titel: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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Einsamkeit.«

    Ihr Protagonist heißt Henry Percible. Er ist Leuchtturmwärter und lebt ganz allein auf einem Felsen der Farallon Islands draußen im Pazifischen Ozean, 20 Meilen vor San Francisco. Er liebt es, in Ruhe und Frieden zu leben, seinen Goldfisch zu füttern und auf seiner Insel spazierenzugehen.

        Er macht zwei Wochen Urlaub, um durch Nordkalifornien zu fahren und sich die Mammutbäume anzusehen. Er trifft Julie, Ihre Heldin, und sie verlieben sich bis über beide Ohren. Nach einer stürmischen Werbung heiraten sie und ge-hen zusammen auf Henrys Insel, um dort zu leben.

        Henry hat sich immer für einen zufriedenen Mann gehalten; jetzt lebt er im siebten Himmel.

        Julie liebt die Insel. Sie legt einen Garten an, bringt ihr kleines Haus auf Vordermann, macht nachmittags Spaziergänge mit Henry und hilft ihm, die Linsen und Spiegel des Leuchtfeuers zu polieren.

        Dann bekommt Henry schlechte Nachrichten. Seine alte Mutter ist ernsthaft krank. Er fliegt nach Florida, um an ihrem Bett zu sitzen; Julie soll während seiner Abwesenheit den Leuchtturm bedienen. Seine Mutter stirbt, und Henry bleibt noch ein paar Tage, um das Notwendige zu veranlassen; dann kehrt er auf die Insel zurück, wo er nach ein paar Wochen seinen Schmerz überwunden hat und er und Julie wieder glücklich wie zuvor zusammenleben.

        Es wird November, der Nebel kommt, und das Meer wird unangenehm. Es regnet jeden Tag. Julie wird reizbar. Sie beginnt die Insel zu hassen. Ihr Garten wird vom Hagel zerstört. Das Haus ist zu kalt für sie. Sie sehnt sich nach einem Ort, der warm ist und wo die Sonne scheint. Sie bittet Henry, fleht ihn an; schließlich gibt er nach. Sie ziehen nach Arizona.

    Dort nimmt Henry einen Job als Busfahrer an, was er haßt. Er findet Arizona zu trocken, zu heiß, zu sonnig, und obwohl sie in einem kleinen Ort leben, gehen ihm die vielen Menschen auf die Nerven. Er sehnt sich nach der Abgeschiedenheit der Farallons. Er ruft seinen alten Chef an und erfährt, daß er seinen alten Job wiederhaben kann.
        Jetzt bittet und bettelt Henry. Er kann es nicht länger ertragen, von dem ruhigen Summen des alten Leuchtturms getrennt zu sein, dem Geruch des Meeres, dem Donnern der Wellen. Will sie es nicht noch einmal versuchen? Er wird das Haus abdichten, ihr einen Videorecorder kaufen und eine Katze, damit sie nicht so allein ist usw.

        Da sie sieht, wie unglücklich er ist, ist sie einverstanden, auf die Insel zurückzugehen.

        Aber nicht lange nach ihrer Rückkehr stellt sie fest, daß sie es auf Dauer nicht aushalten kann. Sie haßt es mehr denn je, und eines Nachts stiehlt sie sich mit dem Boot davon und läßt ihm eine Notiz da: Er soll nicht versuchen, sie wiederzufinden.

        Das versucht Henry auch nicht. Er weiß, daß er die Insel nie verlassen und daß sie sie nie so schätzen lernen könnte wie er. Er bleibt auf der Insel, aber aus seiner früheren wohltuenden Abgeschiedenheit ist jetzt bedrückende Einsamkeit geworden. Die Prämisse ist bewiesen: »Liebe führt zur Einsamkeit.«

        Sie sind vielleicht damit zufrieden, daß Ihre Geschichte die Prämisse unter Beweis gestellt hat. Aber das allein genügt nicht. Sie muß ökonomisch unter Beweis gestellt werden. Aristoteles hat das folgendermaßen formuliert:

        Auch die Fabel muß, da sie Nachahmung von Handlung ist, die Nachahmung einer einzigen, und zwar einer ganzen Handlung sein. Ferner müssen die Teile der Geschehnisse so zusammengefügt sein, daß sich das Ganze verändert und durcheinander gerät, wenn irgendein Teil umgestellt oder weggenommen wird. Denn was ohne sichtbare Folgen vorhanden sein oder fehlen kann, ist gar nicht ein Teil des Ganzen.

    Mit anderen Worten: Wenn ein Teil der Geschichte nicht dazu dient, die Prämisse zu beweisen, sollte er gestrichen werden. In der Geschichte eben hat Henrys Abstecher nach Florida keinen Einfluß auf die späteren Komplikationen und Entwicklungen. Mit dem Beweis der Prämisse »Liebeführt zur Einsamkeit« hat Henrys Reise nichts zu tun. Die Szenen zwischen Henry und seiner sterbenden Mutter können die schönsten Szenen in der ganzen Geschichte sein, voller Schmerz und Pathos, aber wenn sie nichts dazu beitragen, die Prämisse zu beweisen, müssen sie verschwinden. Ohne Wenn und Aber.

        Die Prämisse, sagt Egri, ist ein Tyrann. Hat der Autor sie erst formuliert, sollte jede Szene, jede Dialogzeile, jede Beschreibung, jeder

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