Wie man einen verdammt guten Roman schreibt
gerade mit solchen Situationen verbunden.
In The Basic Patterns of Plot (1959) bringt William Foster-Har-ris diese Idee folgendermaßen zum Ausdruck:
Und das ist es, was [fiktionales] Schreiben uns zu sagen versucht: die Antwort auf jedes erdenkliebe Problem oder auf jede Frage, die man stellen könnte, liegt auf irgendeine phantastische Weise immer in der diametralen Umkehrung dieser Frage. (Hervorhebungen im Original.)
Auf dem Höhepunkt findet der Feigling seinen Mut, der zögernde Liebhaber willigt in die Ehe ein, die Verlierer gewinnen, die Gewinner verlieren, die Heiligen sündigen, die Sünder werden erlöst. Das ist mit »Revolution« gemeint. Es ist eine Umkehrung: die Dinge werden irgendwie auf den Kopf gestellt.
• In Ein Weihnachtslied in Prosa kommt es zum Höhepunkt, als der Geist der künftigen Weihnacht Scrooge seinen eigenen einsamen Tod vorführt und Scrooge in höchster Panik den Geist anfleht, man möge
ihm erlauben, sich zu ändern. Als Scrooge am Morgen erwacht, stellt er fest, daß Weihnachten ist. Er hat mit Geistern verkehrt und nun ist er wieder unter Menschen. Er hat seinen Tod gesehen, und nun ist er wieder lebendig. Hier findet tatsächlich auf dem Höhepunkt eine Revolution statt.
• Im Paten scheint es so, als ob die Familie Corleone am Ende wäre, als ob sie New York geschlagen und gedemütigt verließe. Doch dann holt Michael Corleone mit furchtbarer Heftigkeit zum Schlag gegen seine Feinde aus und bekommt seine vollständige Rache an einem einzigen Tag der Zerstörung. Der Ruf und die Stellung der Familie sind wiederhergestellt. Das ist sicher revolutionär.
• Leamas in Der Spion der aus der Kälte kam ist auf dem Höhepunkt anscheinend in Sicherheit. Er braucht nur noch über den Zaun zu klettern, und er wäre aus Ostdeutschland heraus. Doch der Verrat durch seine Vorgesetzten hat seinen Lebenswillen zerstört; er wählt stattdessen den Tod. Eine weitere revolutionäre Wendung.
• Es sieht so aus, als habe die Große Schwester gewonnen, als sie McMurphy einer Lobotomie unterziehen läßt. Sie hat im Verlauf von Einer flog über das Kuckucksnest einen Sieg nach dem anderen errungen. Doch Kesey beweist uns, daß der menschliche Geist sich nicht brechen läßt. Die anderen Patienten rinden ihren Mut, und einer der Häuptling - gewinnt seinen Verstand zurück und bricht mit Gewalt aus dem Kuckucksnest aus. Auf diese Weise findet auf dem Höhepunkt eine ganz zufriedenstellende Revolution statt.
• Lolita verläßt Humbert Humbert auf dem Höhepunkt von Lolita. Auch wenn das vorher deutlich angekündigt wird, ist es dennoch eine revolutionäre Entwicklung innerhalb der Geschichte. Was dann folgt, ist Humbert Humberts rapider Abstieg in den Wahnsinn, wobei aus dem Mann der Liebe ein Mann des Hasses wird.
• Der alte Mann in Der alte Mann und das Meer is t am Anfang des Romans offensichtlich vollkommen erledigt, weil er seit 84 Tagen
keinen Fisch gefangen hat. Er ist eine lächerliche Figur. Als er den großen Fisch aus dem Wasser zieht, wird alles anders. Noch eine Revolution.
• Emmas Selbstmord auf dem Höhepunkt von Madame Bovary ist gewiß revolutionär. Die Frau, die ihr Leben in vollen Zügen genießen wollte, geht in den Tod.
Eine Geschichte ist ein Kampf. Man beginnt mit einer Erzählung, kurz bevor der Protagonist mit einem Problem konfrontiert wird, beim Angriffspunkt. Die Figur kämpft mit dem Problem; das Problem weitet sich zu einer Krise aus. Die Krise steigert sich bis zu einem Punkt, an dem sie aufgelöst werden muß. Eine Maßnahme wird ergriffen, die zum Höhepunkt führt. Das Ergebnis ist entweder günstig oder ungünstig, doch die Krise ist vorbei. In jedem Fall ändert sich die gesamte Situation; es findet eine Revolution statt, ganz gleich in welche Richtung sie führt.
HÖHEPUNKT, PRÄMISSE UND LÖSUNG, UND WIE
MAN DAS ALLES AUSEINANDERHÄLT
Das Ende einer Geschichte wird oft mit den Begriffen »Höhepunkt« und »Lösung« beschrieben, als ob das zwei eigenständige Dinge wären. In den meisten Fällen sind jedoch die Grenzen zwischen Höhepunkt und Lösung unmöglich zu bestimmen. Man kann sich den Höhepunkt vorstellen als einen Moment, einen Augenblick, als den genauen Zeitpunkt, an dem der Leser erkennt, daß der zentrale Konflikt beigelegt ist. Dieser Augenblick kann beispielsweise eintreten, wenn Godzilla getötet wird, wenn die Heldin den Heiratsantrag annimmt, wenn der zum Sieg führende Punkt
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