Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)
Buche steht, der keinerlei Ungehorsam duldet.
Wir wollen ihn Major Broderick Rawlston nennen. Er hat ein verkniffenes Gesicht, ständig eine Zigarre im Mund, ist klein, aber breitschultrig und durch Krafttraining ungeheuer stark. Ein zäher Bursche im schmutzigen Kampfanzug mit zwei 45er Colts Automatik am Gürtel. Oft trägt er eine Reitpeitsche mit silberner Spitze bei sich.
Er stammt aus einer Militärfamilie. Sein Vater hatte im Ersten Weltkrieg in General Pershings Armee gedient. Von Kind an hat man ihn gelehrt, daß es die höchste Pflicht auf Erden sei, sein Vaterland zu verteidigen. Seine beherrschende Leidenschaft ist, der beste Panzerkom - mandant in der ganzen verdammten Armee zu werden, ohne Ausnahme. Wenn er überhaupt einen Fehler hat, dann den, daß er seine Männer, seine Panzer und sich selbst zu sehr fordert. Wo er war, bleiben viele tote Deutsche und viele leere Patronenhülsen zurück… und eine Re - kordzahl von Männern mit Kriegsneurose in den eigenen Reihen.
Seine Männer nennen ihn »Raging Rawlston«, den tobenden Rawlston. Er hat jede Menge dramatisches Potential. Wir könnten eine recht interessante Figur aus ihm machen, und seine Geschichte wäre sicher durchaus erzählenswert. Wir könnten ihn allerdings zu einer unvergeßlichen Figur machen, wenn wir ihm eine gespaltene Persönlichkeit gäben.
Nehmen wir einmal an, Raging Rawlston hat als Kind gern gemalt, was seine militaristischen Eltern albern fanden und mit allen Mitteln zu unterbinden versuchten, etwa durch kleine Bestechungsgeschenke oder, indem sie sich einfach darüber lustig machten. Er hörte allerdings nicht auf damit, wurde ein heimlicher Künstler und malte im Verborgenen, wann immer er Zeit dazu fand. Während der Zeit auf dem College, verkehrte er in der dortigen Künstlerkolonie oder hing mit anderen Künstlern herum, was er jedoch seinen militaristischen Freunden und seinen Eltern nicht erzählte. Wenn er unter Künstlern war, befand er sich in seinem künstlerischen Ich-Zustand. Sein normalerweise verkniffenes Gesicht wurde sanfter, der harte Ausdruck in seinen Augen verschwand, und er wirkte heiter und nachdenklich.
Zu dem Zeitpunkt, als er als vierzigjähriger Major gegen die Nazis kämpft, hat er reichlich Übung darin, seine beiden Persönlichkeiten voneinander getrennt zu halten. Ein Teil von ihm will der größte General aller Zeiten werden, der andere will ein Meisterwerk in Öl schaffen. Ein Teil ist stahlhart, der andere butterweich, dennoch existieren beide in demselbem Mann. Wenn er sich in seinem militärischen Ich-Zustand befindet, ist er seinen Eltern dankbar für das, was sie für ihn getan haben; in seinem künstlerischen Ich-Zustand nimmt er es ihnen absolut übel.
Raging Rawlstons großes Potential als Figur zeigt sich, wenn wir ihn auf die Probe stellen, um zu entlarven, wer er wirklich ist. Nehmen wir mal an, er durchstößt mit seinem Panzer die Mauer einer Kirche. Um den Angriff effektvoll zu gestalten, muß er mit dem Panzer eine weitere Wand durchstoßen, auf die, wie er weiß, ein wertvolles Renaissance-Fresko gemalt ist. Das würde einen Konflikt zwischen seinen beiden Persönlichkeiten auslösen. Eine solche Figur kennenzulernen würde sich wirklich lohnen.
Weibliche Figuren können ebenfalls gespaltene Figuren sein. Zum Beispiel Hilda O’Farrell. Nehmen wir mal an, sie ist eine Dame der Gesellschaft und wohnt auf dem Nob Hill in San Francisco. Sie hat einen Pekinesen, der ein Halsband aus Rheinkieseln trägt und den ganzen Tag auf ihrem Schoß sitzt. Hilda stammt aus einer unglaublich reichen Familie und von früh an wurde ihr eingetrichtert, daß sie durch geschickte Manipulation ihren Reichtum vergrößern könnte, was sie auch mit Hilfe ihres Vermögensverwalters tut.
Sie ist durch und durch snobistisch und schwebt meist in höheren Sphären. Sie geht gern ins Theater und ins Ballett und liest regelmäßig den Architectural Digest. Als begeisterte Bridgespielerin hat sie zweimal an internationalen Einladungsturnieren teilgenommen und mit ihrem Team einmal den zweiten und einmal den dritten Platz belegt. Sie haßt Unordnung und hat einen Sauberkeitstick. Wenn man in San Francisco dazugehören will, muß man zu Hildas sonntäglichen Soireen eingeladen werden. Sie ist siebenunddreißig und hat schon vier Ehemänner unter die Erde gebracht, die alle viel älter waren als sie. Und alle haben sie noch reicher zurückgelassen.
Nun zu ihrer gespaltenen Persönlichkeit.
Hilda spielt
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