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Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Titel: Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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wesensbestimmend für die Dichtkunst. Der Schwerpunkt dieser Erörterung bewegt sich im Rahmen der Kontroverse zwischen »Dichtung als Imitation« und »Dichtung als romantischer Ausdruck«, die uns seit den Anfängen der Literaturkritik begleitet und zweifellos bis zu ihrem Ende begleiten wird …
    Achten Sie darauf, wie aufgeblasen sich der Erzähler anhört. Begriffe wie Dichotomien und romantischer Ausdruck geben dem Essay einen wissenschaftlichen Tonfall. Die sorgfältige Wahl der Worte und Phrasen charakterisiert die narrative Stimme. Ein Wissenschaftler würde beispielsweise nie verdammt gut schreiben, so wie die forschfröhliche Stimme dieses Buches nie so intellektuelle Begriffe wie Hermeneutik benutzen würde.
    DAS BRÜLLEN DES LÖWEN:
    BENUTZEN SIE EINE STARKE ERZÄHLERSTIMME
    Eine starke Erzählerstimme vermittelt dem Leser das Gefühl, daß der Autor weiß, wovon er redet. Sie schafft Vertrauen. Sie sorgt dafür, daß der Leser weniger kritisch an den Text herangeht und sich ganz dem Fluß der Worte überläßt. In nichtfiktionalen Texten wird eine starke Erzählerstimme durch Tonfall und Beherrschung der Fakten erzeugt, in fiktionalen Texten durch Tonfall und Beherrschung der Details.
    Hier ist ein Beispiel für eine schwache narrative Stimme in einem nichtfiktionalen Text:
    Das Leben in der Bucht von San Francisco ist sehr angenehm. Das Wetter ist gut und die Luft sauber. Man kann das ganze Jahr segeln gehen. Es gibt viele gute Restaurants und interessante Läden sowohl für Touristen als auch für Einheimische.
    Weil die Wortwahl ganz allgemein, farblos und schwach ist, hat der Leser das Gefühl, daß der Erzähler entweder nicht richtig weiß, was er eigentlich sagen will, oder daß er unfähig ist, oder beides. Versuchen wir es einmal mit einer stärkeren Stimme:
    Das Leben in der Bucht von San Francisco ist absolute Spitze. Du kannst zusehen, wie die

Touristen sich an Fisherman’s Wharf, Pier 39 das Geld aus der Tasche ziehen lassen und in den Boutiquen in der Innenstadt abgezockt werden. Ein Hut, der normalerweise zehn Dollar kosten würde, wird dort für $ 99-95 verkauft. Du kannst zusehen, wie sie in Chinatown fünf Dollar für ein Zehn-Cent-Schmuckstück hinblättern, das vermutlich in Mexiko hergestellt wurde. Die Leute, die hier leben, gehen nie in solche Läden, wo doch die schöne smaragdgrüne Bucht mit ihren weißen Schaumkronen förmlich zum Segeln einlädt. Und keine zwanzig Meilen weiter nördlich gibt es all diese schattigen Wanderwege zwischen den schweigsamen, alterslosen und majestätischen Mammutbäumen.
    Da steckt doch mehr Leben drin, mehr Persönlichkeit. Eine Formulierung wie »ist absolute Spitze« gibt dem Ganzen eine gewisse Würze. Details wie »die schöne smaragdgrüne Bucht mit ihren weißen Schaumkronen« vermitteln ein konkretes Bild, das ein Gefühl für die Örtlichkeit schafft. Wir sehen die Bucht und die Boote vor uns, spüren die Majestät der »schweigsamen« Mammutbäume.
    Harold war ein guter Arbeiter und ein guter Ehemann. Er kleidete sich gut und ging am Wochenende gern wandern. Seine Frau ging häufig mit ihm, aber die Kinder ließen sie meistens zu Hause. Wenn Sie zusammen wandern gingen, redeten sie gern über die Zukunft.
    Die Stimme ist farblos, und was erzählt wird, sind alles banale Allgemeinplätze wie »guter Arbeiter«, »guter Ehemann« und »ging gern wandern«. Der Leser bekommt den Eindruck, daß derjenige, der das schreibt, nicht viel zu sagen hat. Jetzt zeige ich Ihnen, wie man das Ganze verbessern könnte, indem man die Details anschaulicher und spezifischer macht:
    Harold malochte sechs Tage die Woche in den Kensington-Werken, wo er Löcher in Badezimmerarmaturen bohrte, die nach speziellen Kundenwünschen gefertigt worden waren. In seiner Freizeit zog er sich todschick an: Anzüge aus Haifischleder, Alligatorschuhe, Seidenhemden. Sonntags ging er immer mit seiner Frau Jewel wandern, und dann redeten sie darüber, wie er eines Tages aussteigen würde, seinem Job in der Maschinenhalle adios sagen, nach Hollywood gehen und ein Experte für Spezialeffekte werden würde, wie sein Vorbild William B. Gates III.
    Hier hat die Erzählerstimme Persönlichkeit. Ausdrücke wie »malochte« geben der Erzählung Farbe. Auch so etwas wie »todschick«, was nicht nur die Figur beschreibt, sondern auch den Eindruck erzeugt, daß der Erzähler Persönlichkeit hat.
    Hier ist vielleicht ein besseres Beispiel für eine starke Erzählerstimme in einem

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