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Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Titel: Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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als James Joyce oder besser als Virginia Woolf zu sein. Obwohl ich Dutzende von Schülern hatte, die es auf die Tour versucht haben, hat meines Wissens keiner von ihnen Erfolg gehabt.
    Das Problem mit den Literaten ist folgendes: Anstatt zu versuchen, die Prinzipien des Kreativen Schreibens zu meistern, anstatt zu lernen, wie man seine literarischen Schöpfungen frisch und dramatisch gestaltet, ernennen die Literaten eine literarische Größe zu ihrem Gott und versuchen, ihm nachzueifern. Dabei behaupten sie die ganze Zeit, Vorreiter der Avantgarde zu sein, weil ihr Vorbild auch dazu gehört.
    Wird der Literat im Kurs beispielsweise darauf hingewiesen, daß seine Geschichte keinen Spannungsbogen hat, daß sie statisch, langweilig oder lahm ist, wird er ein ironisches, überlegenes Lächeln aufsetzen und einem erklären, daß man offenbar »Der Dreck am Rande der Zeit« nicht gelesen hat, diese bahnbrechende Geschichte aus der Feder des literarischen

Heroen, an dessen Rockschößen er dabei ist, in die Unsterblichkeit zu schweben. Bahnbrechend ist die Geschichte, weil sie sich gerade nicht damit abgibt, die Motive einer Figur zu zeigen, oder weil sie sich rein zufällig bewegt anstatt durch Ereignisse, die andere Ereignisse auslösen, oder weil sie keinen Anfang und kein Ende hat, oder weil jede Figur in der Geschichte ein Widerling ist, der den Leser abstößt.
    Meistens bringt es zwar nichts, aber ich versuche in so einem Fall trotzdem auf einige offensichtliche Probleme des epigonenhaften Schreibens hinzuweisen. Zum einen wird das literarische Vorbild, das der Literat imitiert, jeden Blödsinn, den es schreibt, veröffentlicht be - kommen, und gewisse Kritiker sind auch bereit, das Zeug zu loben, egal was es ist, und andere sind zu feige, sich mit einem literarischen Heroen anzulegen, von dem ja jeder weiß, daß er ein absolutes Genie ist. Sowohl der Kritiker, der den Heroen lobt, als auch diejenigen, die es eigentlich besser wissen, würden jeden jungen Autor fertigmachen, der den gleichen Mist verzapft. Einem angehenden Literaten zu erklären, daß er sich nicht die gleichen Regelverstöße erlauben kann wie die literarischen Heroen, ist so, als wollte man einem Vierjährigen klarmachen, warum er keinen Martini haben darf.
    Das größte Problem von epigonenhafter Arbeit ist, daß niemand einen Nachahmer mag.
    Wenn Sie unbedingt ein Literat sein wollen, versuchen Sie bitte, bitte zuerst ein großartiger Geschichtenerzähler zu werden, der die Prinzipien spannenden Erzählens verwendet, um handwerkliche Meisterwerke zu schaffen, bevor Sie anfangen, gegen die Regeln zu verstoßen. Gewiß kann man erfolgreich gegen die Regeln verstoßen, doch von zehn- bis zwanzigtausend, die das versuchen, ist nur eine Handvoll erfolgreich.
    Nachdem ich nun mein Donnerwetter über die Literaten niedergelassen habe, möchte ich zugeben, daß ich genau denselben Fehler begangen habe.
    Mein erster Romanversuch war eine fiktionalisierte Fassung der Memoiren eines weißrussischen Soldaten über seine Abenteuer während der Oktoberrevolution. Da ich glaubte, es mit meinem Genie schon schaffen zu können, habe ich die Erzählung auf ganzer Linie vermasselt. Ich machte mir noch nicht einmal die Mühe, die Fakten richtig wiederzugeben. Wenn ich etwas nicht wußte, was ich eigentlich hätte kennen müssen, zum Beispiel die Ränge im Offizierskorps der Roten Armee, habe ich es einfach erfunden. Ich habe die Perspektive gewechselt, wann immer es mir paßte, und den Leser nach Strich und Faden betrogen. So fügte ich lange Traumsequenzen oder Rückblenden nur aus Jux und Tollerei ein.
    Er wurde nicht veröffentlicht.
    Ein weiterer literarischer Roman, an dem ich mich einige Jahre später versuchte, sollte mein großes autobiographisches Werk werden. Das war der Roman, dem ich den Titel The Cockroach (Der Kakerlak) gegeben habe. Ich glaubte, daß mein Genie allmählich reif sei und ich bereit wäre, die literarische Welt damit in Erstaunen zu versetzen. Ich habe so ziemlich dasselbe gemacht wie beim ersten Mal, nur daß ich mich diesmal surrealistisch gab. Wahrend der ganzen Geschichte saß mein Held dem Tod auf der Schippe-Alles in allem habe ich vielleicht vier Jahre an diesem Wälzer gearbeitet, mir vorgemacht, den großen amerikanischen Roman zu schreiben, und versucht, literarisch anstatt verdammt gut zu sein.
    3. SCHREIBEN FÜR DAS EGO
    In einem Kurs, an dem ich einmal in Berkeley teilgenommen habe, las eine junge Autorin eine bewegende

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