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Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Titel: Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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noch Hilfe bei der Grammatik, aber in jeder anderen Hinsicht schreibt sie wie ein Profi.
    Eine junge Frau namens June nahm ebenfalls an diesem ersten Kurs teil, den ich an der University of California gab. June war promovierte Anthropologin und schrieb an einem Roman über Indianer in Peru. Ich glaubte, daß sie viel Potential hätte. Ihre Geschichte stieß auf große Begeisterung im Kurs, und ich glaubte, daß sie innerhalb von ein oder zwei Jahren veröffentlicht würde. Mittlerweile sind einige Jahre vergangen, doch bisher hat sich nicht viel getan, obwohl June die Regeln des Romanschreibens inzwischen voll beherrscht und eine fai - re Kritikerin der Werke anderer ist.
    Als ich mich erkundigte, wie diese beiden Frauen an das Überarbeiten herangingen, ist mir klargeworden, woran viele talentierte Studenten, die ich unterrichtet habe, die aber nie ihr Potential verwirklicht haben, gescheitert sind. Als ich nämlich die erfolgreiche junge Frau nach ihrer Arbeitsweise fragte, sagte sie, sie hätte, als sie in meinen Kurs kam, rasch erkannt, daß ihr Ehrgeiz weit größer gewesen sei als ihre Fähigkeiten, und daß sie, wenn sie je etwas schreiben wollte, das sich zu lesen lohnt, lernen müßte, »den Traum noch einmal zu träumen«.
    Was sie damit meinte war folgendes: Wenn sie sich zum ersten Mal hinsetzte, um etwas zu schreiben, sah sie das in ihrem Kopf vor sich. Dann schrieb sie es hin. Nachdem sie eine Menge Leute gebeten hatte, es zu lesen und ihr zu sagen, was nicht gut war, setzte sie sich wieder hin und träumte den Traum noch einmal. Mit anderen Worten, sie war in der Lage, die Geschichte beim Überarbeiten in ihrem Kopf anders ablaufen zu lassen, als sie sie beim ersten Hinschreiben gesehen hatte.
    Als ich die andere Frau fragte, wie sie an ihre Arbeit heranging, dachte sie eine Weile nach, und sagte dann, wenn sie sich einmal eine Szene in einer bestimmten Weise vorgestellt hätte, dann bliebe die auch so. Es sei wie mit Erinnerungen. Wie sollte man eine Erinnerung verändern? Die steht nun einmal fest.
    Da wurde mir klar, daß genau diese Unfähigkeit, den Traum noch einmal zu träumen, der Grund war, weshalb auch ich so lange gebraucht hatte, etwas zu schreiben, das sich zu veröffentlichen lohnte. Ich schrieb nämlich eine Geschichte, nahm sie mit in meinen Kurs, ließ sie kritisieren, und wenn es dann darum ging, sie zu überarbeiten, war ich nicht in der Lage, den Traum noch einmal zu träumen. Statt dessen ersetzte ich den Traum durch einen neuen Traum. Ich überarbeitete nicht - ich schmiß raus, was ich geschrieben hatte und fing von vorne an.
    Wie stellt man es also an, den Traum noch einmal zu träumen? Das ist harte Arbeit und bedarf der Übung. Ich schlage meinen Studenten immer vor, beim Überarbeiten einer Szene diese früher einsetzen zu lassen und den Figuren ein anderes Ziel zu geben. Mit anderen Worten, lassen Sie die Figuren irgend etwas wollen, was sie bei der ersten Niederschrift nicht gewollt haben. Das lenkt die ganze Szene in eine andere Richtung.
    Obwohl es einiger Kunstfertigkeit bedarf, den Traum noch einmal zu träumen, wäre es eine Todsünde, es nicht zu lernen.
    5. DEN GLAUBEN AN SICH SELBST VERLIEREN
    Die Zahl der Autoren, die diesen Fehler machen, muß in die Millionen gehen.
    Ein typischer Fall sieht etwa so aus: Ein junger Autor beginnt zu schreiben, angespornt von Ehrgeiz und dem Gefühl, etwas zu sagen zu haben. Jeder junge Autor glaubt, daß in ihm ein

großes Talent schlummert, das nur darauf wartet hervorzubrechen, und daß mit ein bißchen Mühe dieses Talent ganz bestimmt auch anerkannt wird. Nehmen wir uns mal eine typische junge Autorin vor und nennen sie Heidi Smith.
    Was passiert also mit Heidi Smith, die im Alter von zwanzig Jahren von Ehrgeiz und dem Gefühl, etwas zu sagen zu haben, getrieben wird?
    Als erstes schreibt sie eine kleine Kurzgeschichte und schickt sie an ein Literaturmagazin. Sie bekommt ein vorgedrucktes Ablehnungsschreiben und versucht es bei anderen Zeitschriften. Weitere vorgedruckte Ablehnungen: Tut uns leid, aber es ist nicht ganz das richtige für uns. - Die Redaktion.
    Sie schreibt noch ein paar Kurzgeschichten. Die werden wieder abgelehnt. Heidi kann das nicht verstehen. Sie weiß doch, daß sie Talent hat. Sie spürt das Feuer in sich, und sie hat sich doch so große Mühe mit diesen Geschichten gegeben. Weshalb immer wieder diese Ableh - nungen?
    Um die Antwort darauf zu finden, belegt sie einen Kurs im Kurzgeschichtenschreiben.

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