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Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Titel: Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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Geschichte über einen Mann vor, der nach neun Jahren Ehe aus heiterem Himmel von seiner Frau ver-lasssen wird.
    Die Geschichte begann, nachdem die Frau gegangen war, als sie sozusagen gerade die Tür hinter sich zugeschlagen hatte. Zuerst weinte der Mann, dann betrank er sich, dann traf er sich mit Freunden und versuchte, sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Die Geschichte

endete damit, daß der Mann wenige Wochen nach der Scheidung mit der Schwester seiner Exfrau ausgeht. Er hat sich mit dem Verlust seiner Frau abgefunden und ist zuversichtlich, daß das Leben auch nach einer gescheiterten Ehe weitergeht.
    Die Autorin hatte viel Talent. Die Geschichte ließ viele Einsichten erkennen, war emotionsgeladen, und die Sprache war klar und knapp.
    Während der Diskussion über die Geschichte wiesen einige Kursteilnehmer darauf hin, daß es kein objektives Korrelat für den Kummer des Mannes gäbe, da der Leser die Frau nie erlebt habe. Objektives Korrelat ist ein Fachbegriff, den T.S. Eliot geprägt hat, um die Tatsache zu beschreiben, daß der Leser die Ereignisse, die emotionale Reaktionen in einer Geschichte auslösen, auch tatsächlich erleben und nachvollziehen können muß. Mit anderen Worten, wenn eine Figur wütend ist, weil man sie beleidigt hat, sollte der Autor den Zwischenfall beschreiben, bei dem die Figur beleidigt wird. Auf die obige Geschichte bezogen heißt das, da wir die Frau des Protagonisten nie erlebt haben, können wir uns nicht mit seinen Verlustgefühlen identifizieren. Wenn wir sie kennengelernt und zusammen mit dem Protago - nisten erlebt hätten, könnten wir seinen Kummer vielleicht nachempfinden. Doch so wie die Autorin die Geschichte geschrieben hat, mag der Protagonist uns zwar leid tun, weil er traurig ist, aber den Kummer selbst können wir nicht nachempfinden. Aus diesem Grund haben wir die Autorin aufgefordert, die Geschichte etwas früher im Leben der Figuren einsetzen zu lassen.
    Die Autorin war für diese Kritik in keinster Weise empfänglich.
    Sie meinte, wenn wir das so sähen, hätten wir ihre auktoriale Absicht bei dieser Geschichte nicht verstanden, ja wir würden den kreativen Akt schlicht und ergreifend falsch sehen. Sie sagte, sie hätte nicht über die Beziehung schreiben wollen, sondern über Kummer, und sie habe die Handlungen, Gedanken und Gefühle der Figur wahrheitsgetreu wiedergegeben, soweit sie dazu in der Lage gewesen sei. Sie habe genau dokumentiert, wie der Mann seinen Kummer überwunden hat, und genau das habe sie tun wollen und hätte sie auch getan. Wir als Leser müßten das, was sie geschrieben hat, als solches akzeptieren. Sie hätte nicht das geringste Interesse daran, sagte sie, »den Leser zu ködern« oder ihn in die Geschichte hineinzulocken, indem sie emotional anrührende Szenen schafft, um den Leser in Bann zu ziehen oder ihn dazu zu bringen, sich mit den Figuren oder ihren Problemen zu identifizieren. Mit anderen Worten, sie schuf etwas, das dem Thema (welches sie interessierte) vollkommen gerecht wurde, und wenn es den Leser nicht interessierte, dann hatte der eben Pech gehabt.
    Diese Autorin vertrat die Auffassung von der Souveränität des Romanautors. Sie war eine Ego-Schreiberin aus der Leser-sei-verdammt-Schule der Literatur. In den fünfzehn Jahren, die seit diesem Erlebnis vergangen sind, habe ich Hunderte von Anhängern der Leser-sei- verdammt-Schule kennengelernt.
    Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, wie man Schriftsteller sein kann, wenn man sein Ego nicht in seine Texte einbringt. Sind denn nicht alle verdammt guten Romanautoren irgendwo Egomanen?
    Nun ja, natürlich sind sie das. Aber diejenigen, die Erfolg haben, schreiben für Leser. Wir wollen Sie Leser-Schreiber nennen, im Gegensatz zu den Ego-Schreibern. Um Schriftsteller zu sein, muß man, wie Trollope gesagt hat, »seine Identität beiseite legen«.
    Kürzlich habe ich bei einer Tagung des California Writers Club eine außergewöhnliche Autorin kennengelernt, die bereits über Achtzig war. Sie hatte weiße Haare, trug eine Brille mit dicken Gläsern und lächelte einen strahlend mit ihren gelben Zähnen an. Sie erzählte mir, sie hätte mit Fünfunddreißig angefangen zu schreiben. Es hätte sie schon immer gereizt, und dann habe ihr Mann, ein Bierkutscher, sie eines Tages mit vier Kindern, einem Haufen unbezahlter Rechnungen und nichts als Luft im Kühlschrank sitzenlassen.
    Zuerst glaubte sie, sie könnte sich und ihre Kinder vielleicht durchbringen, indem sie in

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