Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)
belegt werden, um zusätzliche Qualifikationen zu erwerben. Außerdem ist ein Baby unterwegs.
Also vielleicht im nächsten Jahr, sagt sie sich. Im nächsten Jahr komme ich vielleicht wieder dazu. Und schon bald spricht Heidi nur noch davon, daß sie irgendwann ein Buch schreiben wird. Vielleicht nach der Pensionierung. Sie hat, ohne es so richtig zu merken, den Glauben an sich verloren.
Ist dieser Glaube erst einmal gebrochen, ist es unwahrscheinlich, daß der Autor jemals wieder anfängt zu schreiben.
Heidi hat schon den Weg eingeschlagen, den die meisten Autoren gehen, die schließlich Erfolg haben. Erst die Ablehnungen, dann das Erlernen des Handwerkzeugs, dann weitere Ablehnungen, dann Ablehnungen mit einem persönlichen Kommentar, dann anfängliche Er - folge und schließlich der große Coup, der einen über Nacht berühmt macht. Doch für die meisten Autoren ist es ein langer Weg, und viele geben genau in dem Moment auf, in dem gerade die Startrampe steht und die Rakete gezündet werden könnte.
Man kann auch noch auf andere Weise den Glauben an sich verlieren. Das passiert leider häufig Autoren, die merken, daß sie nicht ganz nach oben kommen. Autoren also, die schon einigen Erfolg hatten, aber meinen, sie hätten es noch nicht ganz geschafft. So ein Autor kann bereits mehrere Paperback-Originalausgaben verkauft haben. Oder sogar ein Hardcover, das vielleicht gut besprochen, aber nur mäßig verkauft wurde. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, denkt dieser Autor, um noch etwas mehr Talent aus mir herauszuholen, so das gewisse Etwas…
Mit jedem Roman, mit dem dieser Autor nicht auf den Bestsellerlisten landet, wird er immer frustrierter. Um diesen furchtbaren Frust zu bekämpfen, fängt der Autor möglicherweise an zu trinken. Oder er nimmt ein bißchen Speed, Kokain oder LSD.
Unter dem Einfluß der Droge spürt der Autor plötzlich ein neues Aufkeimen von Optimismus; der Frust, der wie eine düstere Wolke über ihm schwebte, verschwindet. Der Autor glaubt zum ersten Mal in seinem Leben richtig klar zu sehen und rast mit Volldampf auf neue Horizonte zu.
Damit verhält er sich allerdings nicht anders als ein Lemming, der aufs Meer zusteuert.
Alkohol und Drogen mögen ja nett zur Entspannung sein, aber in dem Moment, wo der Autor sich von ihnen Inspiration erhofft, ist er verloren. Der Autor verliert den Glauben an seine Kreativität und begeht einmal wieder eine Todsünde. Er macht einen tödlichen Fehler, , der ihn nicht nur als Autor, sondern überhaupt als Mensch zerstören könnte.
Wenn also Drogen nicht die Lösung sind, wie kämpft man dann gegen Mutlosigkeit an?
Mutlosigkeit ist häufig die Folge von Neid auf diejenigen, die erfolgreicher sind, deren Werke von den Kritikern besser besprochen werden oder die nie eine Absage bekommen.
Ich selber bin durch das Schreiben nicht reich geworden. Jedenfalls bis jetzt noch nicht, obwohl ich daran arbeite. Ich nage zwar nicht gerade am Hungertuch, aber ich fahre auch keinen Rolls. Oft muß ich mit Hilfe meiner VisaCard den Zeitraum zwischen zwei Tantiemenschecks überbrücken. Bisher bin ich in meinem Gewerbe noch nicht auf eine Goldader gestoßen, aber ich hatte durchaus meine Befriedigungen.
Ich gehe häufig zum Campus eines College bei mir in der Nähe, um dort in der schönen Bibliothek zu recherchieren. Das College liegt auf einem Hügel, von dem aus man an klaren Tagen fast die gesamte San Francisco Bay überblicken kann. Man kann die Freeways, die Gü- terbahnhöfe und die Wolkenkratzer von San Francisco sehen - und die Flugzeuge, die auf drei verkehrsreichen Flughäfen starten und landen. Man bekommt ein gutes Bild von der Hektik des modernen Lebens, davon, wie die Leute von einem Ort zum anderen hasten - auf der Jagd nach was?
Nach Dingen.
Ganz genau, nach Dingen. Fernseher, Stereoanlagen, neue Autos und Eigentumswohnungen auf dem Land. Dinge. Das Zeug, wofür im Fernsehen geworben wird. Toyotas und BMWs, solche Sachen halt.
Wenn ich also in der Bibliothek sitze, umgeben von Büchern, und auf dieses Getümmel schaue, denke ich, hinter was jage ich eigentlich her? Der Kunst. Ich versuche, einen verdammt guten Roman zu schreiben. Einen, der bewegend und spannend ist und etwas über die menschliche Situation aussagt. Wenn ich dabei ein bißchen Geld verdiene, um so besser. Aber wenn nicht? Na ja, ich komme auch ohne diesen ganzen Kram aus. Und dann tun mir diese armen Schweine ein bißchen leid, die ständig nach Dingen streben, die
Weitere Kostenlose Bücher