Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)
zurückgeschickt. Unverschämtheit, die behaupten, du hättest dein Konto überzogen, wo das doch gar nicht stimmt. Du willst das sofort überprüfen, aber verdammt noch mal, du mußt doch schreiben.
Also setzt du dich hin, um zu schreiben. Die Kontoauszüge schreien aus dem Nebenzimmer nach dir. Das Konto muß ausgeglichen werden, und zwar sofort. Wie soll man einen Roman schreiben, wenn ein überzogenes Konto nach einem schreit?
Und so geht das immer weiter.
Wenn nicht das Konto nervt, dann dein bekloppter Bruder, der sich bei dir ausweinen will, weil er sich den Kotflügel von seinem neuen Honda verkratzt hat. Oder die Fenster müssen geputzt oder der Boden muß gesaugt werden, oder der Salat zum Abendessen ist schlaff geworden.
Nun ja, irgendwann müssen Sie entscheiden, was Sie vom Leben wollen. Knackigen Salat, saubere Fußböden, ein Konto mit schwarzen Zahlen oder einen Roman auf dem Ständer im Supermarkt. Wenn Sie beschlossen haben, daß Sie ein Romanschriftsteller sein wollen, dann muß das Romanschreiben an erster Stelle stehen. Sie dürfen die Zeit nicht einfach verrinnen lassen. Wenn Zeit zum Schreiben ist, dann ist Zeit zum Schreiben.
Wenn aber nun der Rasen gemäht werden muß? Dann sagen Sie, der Rasen muß warten. Und das Auto wird nicht gewaschen, und es wird jetzt auch nicht eingekauft. Erst ist das Schreiben dran.
Heißt das, daß Sie in einem Schweinestall leben müssen und nie Golf spielen dürfen? Natürlich nicht.
Aber wenn Sie sich ausgerechnet haben, daß Sie pro Woche fünfzehn Stunden Zeit zum Schreiben haben und Sie diese fünfzehn Stunden dafür eingeplant haben, dann müssen Sie in diesen Stunden auch schreiben, und nichts darf Sie daran hindern, es sein denn, Ihr Haus brennt ab oder Sie bekommen eine akute Blinddarmentzündung.
Mangelnde Produktivität hat ihre Ursache darin, daß man einfach die Zeit verrinnen läßt. Zeit kann in kleinen Häppchen verrinnen wie die Eiszapfen, die Sie immer wieder in Ihrem Gefrierschrank abbrechen, oder in riesigen Stücken wie Eisberge, die sich von einem Glet - scher lösen.
Es gibt aber auch noch eine andere Ursache für mangelnde Produktivität, die sogenannte »Schreibblockade«.
In Wie man einen verdammt guten Roman schreibt habe ich die Schreibblockade mit Angst vor Versagen und Angst vor Erfolg erklärt. Jetzt sehe ich das völlig anders.
Ich glaube, daß die Schreibblockade von dem unbewußten Wunsch herrührt, ein Märtyrer zu sein. Autoren, die unter Schreibblockade leiden, sind die Heiligen Sebastiane der schreibenden Zunft.
Was würden Sie sagen, wenn Sie folgende Geschichte hörten:
Ein Maurer namens Big Jake Johnson geht jeden Tag brav zur Arbeit. Er arbeitet für die Firma High Rolling Builders und die bebaut gerade eine Parzelle außerhalb von Dallas. Big Jake ist in Maurerkreisen als wahrer Künstler bekannt. Ausgefallene Kamine und Patios sind seine
Spezialität. An einem schönen klaren Oktobertag kommt er ein bißchen zu spät zur Arbeit. Er sagt, er sei kurz im Park gewesen, um die Tauben zu bewundern. Sie hätten so schöne bunte Hälse.
Sein Gehilfe hat ihm bereits den Mörtel gemischt und einen Stapel Steinplatten auf die Rückseite der Villa geschleppt, an der High Rolling gerade baut. Big Jake soll den Plattenweg zu dem beleuchteten Pool neben dem Tennisplatz anlegen.
Big Jake trinkt eine Tasse Kaffee und sieht sich die Blaupause an. Ein unbestimmtes Gefühl der Angst überkommt ihn, als seine Finger die Linien auf der Blaupause verfolgen. Er starrt immer wieder auf die Blaupause, dann auf den Stapel Steinplatten, dann auf den Mörtel.
Schon bald bildet sich Angstschweiß auf seiner Stirn.
Er läßt die Blaupause fallen und geht zum Polier. Der nickt bereits mit dem Kopf, als er ihn kommen sieht.
»Mauerblockade, was?«
Big Jake nickt traurig. »Ich kriege es heute einfach nicht hin«, sagt er. »Wer weiß, vielleicht bin ich nie mehr in der Lage, eine Kelle in der Hand zu halten.« Der Polier legt Big Jake tröstend eine Hand auf die Schulter und sagt, wie leid ihm das tue.
Also geht Big Jake nach Hause und läßt sich aufs Sofa fallen. »Was ist los, Schatz?« fragt seine Frau Orinda.
»Mauerblockade.«
»Was soll das heißen?«
»Ich kriege es heute anscheinend einfach nicht hin.«
»Bezahlen die dich denn weiter?«
»Ähm, nein.«
»Und wie lange dauert das?«
»Das kann man nicht sagen.«
»Hört sich für mich schlicht nach Faulheit an.«
»Hey, wenn Autoren Schreibblockaden kriegen, dann
Weitere Kostenlose Bücher