Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)
bringt die Große Szene etwas, manchmal auch nicht. Manchmal bedarf es zwei oder drei Großer Szenen, bevor die anderen verstehen, wie ernst es einem ist.
Natürlich müssen Sie Ihr Engagemenent beweisen, indem Sie sich nicht durch eine gute Sendung im Fernsehen ablenken lassen, oder von Nachbarn, die auf ein Schwätzchen vorbeikommen, oder von einem schönen Frühlingstag, der Sie in den Garten lockt, um Tomaten zu pflanzen. Die Zeit, die Sie zum Schreiben vorgesehen haben, ist fürs Schreiben da. Und damit basta!
Wenn ich schreibe, gehe ich nicht ans Telefon. Das überlasse ich meinem Anrufbeantworter, selbst wenn mein Agent anruft und gute Nachrichten hat. Ich gehe nicht an die Tür. Wenn es die Zeugen Jehovas sind, müssen sie eben ein andermal wiederkommen, um meine un - sterbliche Seele zu retten. Im Augenblick schreibe ich.
Ein Autor muß bereit sein, zu seiner Schwester oder seinem Bruder, zu Mutter, Vater oder Kindern zu sagen: »Ich kann im Augenblick nicht mit dir reden, ich schreibe.« Wenn die darüber sauer sind - sie werden sich schon wieder einkriegen. Sie müssen den Leuten klarma - chen, wenn Sie in Ihrem Kabuff sitzen, sind Sie nicht da. Sie befinden sich auf einem anderen Planeten und können nicht geortet werden.
Sie sagen, Sie möchten niemanden vor den Kopf stoßen? Sie können nicht unhöflich sein? Sie sagen, Sie müssen für Ihre Freunde und Ihre Lieben dasein, wenn die Sie brauchen? Ihre Schwester hat Eheprobleme und möchte sich bei Ihnen ausweinen? Ihr bester Freund
braucht Hilfe bei der Einkommensteuererklärung? Ihre Kinder wollen, daß Sie ihnen zeigen, wie man Fischköder befestigt oder Plätzchen bäckt oder den Videorecorder anschließt?
Sie können nicht mit den Adlern fliegen, wenn Sie Ihre kostbare Zeit damit verschwenden, mit den Gänsen zu schnattern. Wollen Sie nun Schriftsteller werden oder nicht? Und wenn Sie einer werden wollen, dann sollten Sie auch ein verdammt guter werden, und die einzige Möglichkeit, ein verdammt guter Schriftsteller zu werden, ist, bei Gott, alles dafür zu geben, was man hat.
Alles zu geben, was man hat, bedeutet, daß man sehr viel Zeit investieren muß. Und um diese Zeit in das Schreiben stecken zu können, muß man sie eben von anderen Dingen abziehen, zum Beispiel von anderen Jobs, von Freunden, von der Familie, vom Kloputzen.
Daß man viel Zeit in seinen Beruf stecken muß, scheint beispielsweise Leuten, die Chirurg werden wollen, vollkommen einleuchtend. Ein Chirurg ist während der Ausbildung praktisch nie zu Hause. Ein Chirurg in der Ausbildung wird häufig achtundvierzig Stunden und länger ununterbrochen im Krankenhaus verbringen - Kurse besuchen, auf Visite gehen, eine Menge Leute aufschneiden und wieder zusammennähen.
Ein angehender Musiker wird über Jahre hinweg zehn bis zwölf Stunden pro Tag üben, bevor er ein professionelles Niveau erreicht. Ein olympischer Athlet, ein Ballettänzer, ein Bühnenzauberer - sie alle müssen einen großen Teil ihres Lebens dafür hingeben, ein profes - sionelles Niveau zu erreichen und zu halten. Ein verdammt guter Romanschriftsteller zu werden kostet genausoviel Zeit, Mühe und Energie wie ein verdammt guter Turner, ein verdammt guter Eiskunstläufer, ein verdammt guter Zahnarzt, ein verdammt guter Profikiller oder was auch immer zu werden.
Um ein verdammt guter Romanautor zu werden, muß man seine Zeit mit Schreiben zubringen. Und das bedeutet, daß man nicht die Dinge tun kann, die andere Leute tun, weil man dafür keine Zeit hat.
Aber was ist, wenn man Kinder hat, Verantwortung und so weiter? Okay, dann müssen Sie eben irgendeinen Job haben, ein zweites Standbein, aber das darf nicht das Zentrum Ihres Lebens sein. Das Schreiben muß das Zentrum Ihres Lebens sein. Faulkner hat angeblich einmal gesagt: »Alles fällt unter den Tisch: Ehre, Stolz, Anstand … um das Buch geschrieben zu bekommen. Selbst wenn ein Autor dafür seine Mutter bestehlen muß, wird er nicht zögern; eine Ode on a Grecian Urn von Keats wiegt jede Menge älterer Damen auf.«
Ich habe Hunderte von Autoren scheitern sehen, weil sie nicht in der Lage waren, ihr Leben um das Schreiben herum zu organisieren. Die Folge: Das Schreiben wird immer wieder aufgeschoben.
Wie kommt das ?
Ich wage eine Vermutung. Schreiben ist schmerzlich. Schreiben ist harte Arbeit. Schreiben kann einen manchmal fertigmachen. Um ein verdammt guter Romanschriftsteller zu werden, müssen Sie trotz der Schmerzen, die es Ihnen bereitet,
Weitere Kostenlose Bücher