Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht
Schwerfälligkeit gleichermaßen zu.
2.
Seit der kommerziellen Öffnung des Internets und der Schaffung des World Wide Web im Jahre 1989 berichten die digitalen Medien zunehmend nicht mehr nur über die aktuelle Politik, sondern tragen aktiv zu ihrer Gestaltung bei. Von weltweiten Protestaktionen bis hin zu Wikileaks und dem globalen Hacker-Kollektiv Anonymous verschieben sich die alten Machtgleichgewichte heute mit bemerkenswerter Geschwindigkeit und entgleiten jenen Minderheiten, die während des größten Teils der Menschheitsgeschichte Wissen und organisatorische Mittel monopolisiert haben.
Die verführerische Annahme, der Zugang zum Internet ließe sich mit demokratischer Freiheit einfach gleichsetzen, wird der Komplexität der Situation jedoch nicht gerecht. Nehmen wir nur einmal die offensichtlichste Ausnahme: In China gibt es – mit über 300 Millionen Nutzern, Tendenz steigend – sowohl die größte Online-Gemeinde als auch das raffinierteste Regime zu deren Überwachung, Zensur und Kontrolle. Digitale Werkzeuge können viele Freiheiten fördern, aber ihre Geschichte ist keinesfalls simpel. Es ist bei weitem nicht wahrscheinlich, dass sie entweder in einer Revolution oder nachhaltigen Reformen mündet.
Bei alledem ist die größte Gefahr vielleicht nicht die Apathie, sondern die Naivität: das Versäumnis, die Möglichkeiten und Fallstricke der uns zur Verfügung stehenden Technologie in vollem Umfang zu erfassen. Denken wir an Privatsphäre und Online-Sicherheit. Die simple Tatsache, dass jeder von uns eine Reihe für alle Ewigkeit sichtbarer digitaler Fußabdrücke hinterlässt, wirft grundlegende rechtliche und ethische Fragen auf – Fragen, bei deren Beantwortung die meisten Staaten viele Jahre hinterherhinken.
Was bedeutet Privatsphäre im Internet, was sollte sie bedeuten – und welches Maß an Kontrolle sollten wir über Informationen aller Art noch ausüben können, wenn wir sie einmal in die Welt hinausgeschickt haben? Das ist eine politische Frage, mit deren Beantwortung sich viele Gesetzgeber und Bürger gleichermaßen schwertun. Der Vorstellung, dass wir in einem digitalen Raum als Konsumenten und als Bürger »Rechte« besitzen, wird jenseits der Definitionen offensichtlicher Kriminalität bislang kaum Rechnung getragen. Existierende rechtliche Modelle auf die durch das Internet entstandenen transnationalen Räume anzuwenden, ist obendrein ausgesprochen schwierig, insbesondere, wenn es um Eigentumsrechte und den Schutz von Gütern geht, deren physische Realität aus bloßen Partikeln in einer elektronischen Datenwolke besteht.
Eine umfassende Gesetzgebung in diesem Bereich wird noch viele Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte brauchen. In der Zwischenzeit liegt die Last der Verantwortung bei gewöhnlichen Nutzern und Unternehmen, eine Basis zu schaffen, auf der ein sicherer Umgang mit persönlichen Informationen in stetig wachsender Menge gewährleistet ist. Des Weiteren müssen wir Kriterien erarbeiten, anhand derer wir für unser breiter angelegtes Handeln in digitalen Räumen – von sozialen Netzwerken zu E-Mails und Uploads – nicht nur beurteilt, sondern auch haftbar gemacht werden können.
Es besteht kein Zweifel daran, wie politisch aktuell diese Themen bereits geworden sind. Nach Unruhen in Großbritannien im August 2011 wurden zwei Männer, die unabhängig voneinander per Facebook-Nachrichten Randale in Northwich angezettelt hatten, zu jeweils vier Jahren Haft verurteilt, obwohl sie danach an keinem der Vorfälle beteiligt gewesen waren und selbst auch keinen physischen Schaden verursacht hatten. Sie hätten, so der Richter, »als sich Gerüchte bevorstehender Gewaltakte verbreiteten, in den Gemeinden vor Ort Panik ausgelöst und so bewirkt, dass die Stimmung umschlug« – ein merkwürdiges Spiegelbild der bekannteren Geschichte von den »guten« regierungsfeindlichen Demonstranten, die andernorts für den Versuch eingesperrt werden, politische Aktionen zu organisieren oder Informationen zu verbreiten.
3.
Es ist klar, dass wir in der Diskussion um eine digitale Politik schnell erwachsen werden müssen – dazu gilt es zunächst herauszufinden, wo die wirklich wichtigen Fragen liegen. Der Autor Evgeny Morozov schrieb in seinem 2011 erschienenen Buch The Net Delusion : »Die Technologievisionäre, denen wir vertrauen, dass sie uns in eine bessere digitale Zukunft führen, könnten sich ebenso darin überbieten, die falschen Probleme zu lösen … Da der einzige Hammer, den
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