Wie man leben soll: Roman (German Edition)
Freunden, unter denen sich Iris befindet, an der Theke der
Prawda
steht, trinkt man eine verdammenswerte Mischung aus Cola und Rotwein. Dabei spielt die Runde Knobeln. Jeder hat drei Münzen in der Hosentasche. Wenn er die Hand herauszieht, weiß niemand, wie viele Münzen er darinversteckt hat. Es können drei sein, es kann keine sein. Jeder gibt einen Tip ab, wie viele Münzen in allen auf der Theke liegenden Händen zusammen verborgen sind. Wer dem richtigen Ergebnis am nächsten kommt, scheidet aus. Eine neue Runde beginnt. Wer zuletzt übrig bleibt, zahlt Cocktails für alle.
Solche Spiele können teuer werden. Aber wenn man Glück hat und von den Mitspielern unterschätzt wird, trinkt man stets auf Kosten anderer.
Frauen spielen nie mit. Auch Iris nicht. Sie hängen sich an den Arm ihres Freundes und schauen zu. Man wünscht sich, Iris im Arm zu halten.
In den Spielpausen begutachtet man Neuankömmlinge, wirft Münzen in den Flipperautomaten, streicht über seine enge Hose, lauscht der Musik, flirtet mit Iris. Gewöhnlich sind diese Abende mäßig unterhaltsam, da sie den meisten vorangegangenen ähneln. Aber wenn man in Iris verliebt ist, herrscht Spannung. Man achtet darauf, mit wem sie spricht. Man denkt nach über das, was man vorhin mit ihr geredet hat. Argwöhnisch nimmt man die Blicke wahr, die ihr irgendein Unhold zuwirft.
Wenn man achtzehn ist und fettleibig und seit Neuestem eine Brille tragen muss und dann einer Frau imponieren will, führt dies unweigerlich zum Versuch, im Saufen zu brillieren.
Und wenn dann gute Musik gespielt wird, stiert man vor sich hin und träumt sich eine bessere Zukunft herbei.
Man ist ein Rockstar, der in die Stadt zurückkommt, in der er aufgewachsen ist. Alle reißen sich um einen. Man trägt das Haar lang bis hinunter zum Hintern und fährt mit einer Harley Davidson auf die Bühne. Das Konzert, das man gibt, ist fantastisch. Iris und Veronika stehen in der ersten Reihe, streiten miteinander und wünschen sich, von dem tollen Typen am Mikrophon auf die Bühne geholt zu werden.
Aus dem Ratgeber
Mittelpunkt des Büros in 40 Tagen
weiß man, dass sich kluge Frauen nicht so leicht erobern lassen. Dass man an eine solche Frau geraten ist, merkt man, wenn man nach einem schönen Traum im Tanzlokal
Prawda
aufblickt und sie verschwunden ist.
Allerorts Trostlosigkeit.
Man trinkt noch ein Glas. Wenn dann eine Nummer gespielt wird, die einem gefällt, stakt man in seinen Lederstiefeletten auf die Tanzfläche. Und genau das sollte man nicht tun.
Mit zusammengekniffenen Augen bewegt man sich im Glitzerlicht zur Musik. In einem klaren Moment erkennt man, dass man das Bild eines Kretins abgibt und sein Ansehen entsprechend ramponiert. Man ist ungelenk, man kann den Rhythmus nicht halten. Verzweifelt versucht man, den Mangel an Technik durch heftigeres Ausschlagen mit den Gliedmaßen wettzumachen. In Folge davon springt man anderen Tanzenden in den Rücken. Dass man sich wie ein Hanswurst aufführt, ist auch am Verhalten einiger Freunde abzulesen, die herumstehen, lachen und mit dem Finger zeigen.
Dies ist der Moment, in dem einem bewusst wird, wie gern man irgendwo dazugehören würde. Egal wo. Zu den behenden Tänzern, zu den breitschultrigen Türstehern, zu den beliebten Barkeepern. Zur Gewerkschaft der Brillenträger, zur Zunft der Rothaarigen, zur Liga der Linkshänder. In diesem Moment spürt man, wie allein man in der Welt steht und wie gern man Teil eines größeren Ganzen wäre.
Darüber hinaus ist das der Moment, in dem man entdeckt, dass Iris mitnichten nach Hause gegangen ist, sondern sich die ganze Zeit über prächtig am sonderbaren Verhalten eines Tänzers vergnügt hat.
Merke: Wenn man glaubt, sich blamiert zu haben, hat man manchmal in Wahrheit eine Brücke geschlagen.
Mit achtzehn ruft das Vaterland. Da sich Tante Kathi trotz ihrer ehemaligen BD M-Mitgliedschaft dem Pazifismus verschworen hat und nicht wünscht, dass man den Wehrdienst ableistet, kommt sie auf den Gedanken, das entsprechende Gutachten eines Arztes könnte einem die acht Monate in der Kaserne ersparen.
Der Seifensieder wird eingeweiht. Nachdenklich wischt er sich das Kinn. Eigentlich sei das nicht rechtens, doch um der Freundschaft willen wolle er sich den Burschen einmal ansehen. Obwohl es dem Burschen nicht schaden würde, ein wenig Sport zu treiben, und man sei ein unhöflicher Bursche, da man sich schon lange nicht mehr in der Werkstatt habe blicken lassen.
– Habe ich
Weitere Kostenlose Bücher