Wie man leben soll: Roman (German Edition)
und verfolgt im Fernsehen die Nachrichten. Notgedrungen wartet man bis zur Werbung. Den Schlüssel übersieht sie, man muss von selbst mit der Sprache herausrücken.
– Das war fällig. Ich wollte dir ohnehin schon sagen, dass du von mir kein Geld mehr bekommen kannst. Die Kredite. Zum Glück verdienst du nun selbst, das ist eine große Erleichterung, Charlie …
Wenn man von diesem Gespräch noch benommen an einem einsamen Standplatz steht und verzweifelt versucht, einen akzeptablen Radiosender zu finden, fällt einem Tante Ernestine ein. Plötzlich fühlt man beispielloses Selbstmitleid. Zugleich fürchtet man sich noch immer vor ihrem Geist und dem des Seifensieders. Im Rückspiegel glaubt man etwas gesehen zu haben. Die Stelle wird einem unheimlich. Mit Tränen in den Augen rast man los, fährt ins Priamus.
Wenn man unglücklich darüber ist, dass man als Taxifahrer arbeiten muss, sollte man es als gerechte Strafe für die Rolle ansehen, die man bei Tante Ernestines Tod gespielt hat.
Nach zwei Wochen im Taxi sollte man sich dazu durchringen, seiner Liebe zu Vinyl den Abschied zu geben und CDs zu kaufen, da das Kassettendeck im Wagen nicht funktioniert und ohne Musik eine Schicht kaum zu überstehen ist. Man kann nicht die ganze Zeit Radio hören. Am Abend gibt es zwei Stunden die Sendung
Music Box
, die hört man gern. Doch sonst beschert einem der österreichische Rundfunk nur bestialisches Popgedudel. Auf Dauer macht diese Geräuschkulisse depressiv. Also sollte man sich fürs Taxi CDs kaufen.
Als man bei der Abrechnung erfährt, wie viel man fürs Telefonieren in den ersten zwei Wochen zahlen muss, erschrickt man. Man wollte mit Laura in Verbindung bleiben. Und da mannicht jeden Tag drei Stunden Pause machen kann, greift man zum Telefon. Aber wieso ruft eigentlich sie niemals an?
– Wieso rufst eigentlich du nie an?
– Ich will dich nicht bei der Arbeit stören.
Wenn man sich fragt, ob man von seinem Partner betrogen wird, gibt es einige Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen. Wenn man es herausfinden will, findet man es heraus. Dazu braucht man nicht in Manteltaschen wühlen oder Telefonnummern kontrollieren oder einen Privatdetektiv engagieren. Es genügt, den Partner zu fragen. Nur sollte man zuvor nicht vergessen zu versichern, man würde verzeihen und Verständnis aufbringen, und im Übrigen sei ein entlastetes Gewissen Balsam für die Seele. Und überhaupt sei alles nicht so schlimm. Wenn man auf diese Weise den Partner lange genug bearbeitet und ihm sicherheitshalber noch einige Gläser Wein eingeflößt hat, wird er sprechen.
Danach kann natürlich keine Rede mehr von Verzeihen und Verständnis sein. Es fliegen die Gläser, es scheppern die Türen, in radikalisierten Beziehungen kann es sogar zu Handgreiflichkeiten kommen, an deren Ende eher eine Visite in der Nachtambulanz des Krankenhauses steht als eine leidenschaftliche Versöhnung im Schlafzimmer.
So etwas kann so sehr ausarten, dass man danach selbst nicht mehr weiß, ob das alles wirklich passiert ist.
Merke: Wenn man Wissen für etwas hält, das einem das Leben nicht zwingend erleichtert, sollte man freiwillig auf allzu genaue Kenntnis darüber verzichten, wie es um die Treue des Partners bestellt ist.
Der Samstag ist heilig. Am Samstag übernimmt man keine Schicht. Der Samstagabend gehört Mirko und den Freunden und Dieter Moor. Mittlerweile ist man routiniert genug, um sich samstags eine Flasche Wein zu genehmigen. Man muss am Sonntag erst um vier oder fünf Uhr nachmittags ins Taxi. Man ist ja kein Astronaut, man darf sich etwas gönnen.
Wenn man eines Samstags unter Walters Freunden ein Gesicht mit Narben entdeckt, bleibt einem die Luft weg und das Herz macht einen Sprung. Bei der Begrüßung stottert man, reißt alberne Witze. Wenn auch Conny rot geworden ist, sollte man sich schnell an den Herd zurückziehen. Man stellt fest: Der Raum ist wie verzaubert. Der Mittelpunkt der Welt ist diese Küche.
Wenn man in einer Beziehung lebt und mit einem Schlag merkt, dass man sich in jemand anderen verliebt hat, ist man so verdattert, dass man in Mirkos orientalischen Eintopf statt einer Prise Oregano ungefähr vier Kilogramm TNT einrührt. Man wird zum Geschirrabwäscher degradiert und muss seine schweinische Schürze an Walter weitergeben.
– Ich wusste nicht, dass Walter und du einander kennt, sagt man zu Conny.
– Aber ich wusste, dass ich dich hier treffe.
Wieder wird sie rot. Wenn man vom
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