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Wie man mit einem Lachs verreist

Wie man mit einem Lachs verreist

Titel: Wie man mit einem Lachs verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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es scheint, daß seine Erstellung viel Arbeit kostet. Eine Zeitlang bin ich sogar versucht, das zu glauben, da ich so viele Unterlagen und Fotos habe beibringen müssen, anscheinend ist dieses Dokument so etwas wie ein Paß mit zahlreichen fälschungssicheren Seiten.
    Ende Juni, nachdem ich inzwischen schwindelerregende
    Summen für Taxis aufgewandt habe, versuche ich eine erneute Abkürzung. Ich schreibe schließlich für Zeitungen, Himmel noch mal, da müßte mir doch jemand helfen können, und sei's mit der Ausrede, daß ich aus Gründen der Gemeinnützigkeit mobil sein müsse! Mit Hilfe zweier Mailänder Redaktionen (der
    „Repubblica“ und des „Espresso“) gelingt es mir, ins
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    Pressebüro der Präfektur vorzudringen, wo ich eine freundliche Dame finde, die bereit ist, sich um meinen Fall zu kümmern. Die freundliche Dame denkt auch gar nicht daran, etwa bloß zu telefonieren: Couragiert begibt sie sich persönlich ins Führerscheinausstellungsamt und dringt in sakrale Bezirke ein, die profanen Sterblichen streng verschlossen sind, mitten zwischen labyrinthische Reihen von Akten, die dort seit unvordenklichen Zeiten lagern. Was sie dort tut, weiß ich nicht (ich höre erstickte Schreie, Gepolter von stürzenden
    Aktenbergen, Staubwolken quellen durch die Ritzen der Tür).
    Schließlich erscheint sie wieder, in der Hand ein gelbliches Formular aus dünnem Papier wie jene, die von Parkwächtern unter die Scheibenwischer geschoben werden, Format
    neunzehn mal dreizehn Zentimeter. Es hat kein Foto, es ist mit Tinte beschrieben, mit einer dicken klecksigen Feder, die in ein altes Tintenfaß eingetaucht worden ist, so eins voller Bodensatz und Schleim, der Fäden auf dem porösen Papier zieht. Es enthält meinen Namen mitsamt der Nummer des verlorenen
    Führerscheins, und der gedruckte Text besagt, vorliegendes Blatt ersetze den »oben angegebenen« Führerschein, und es verfalle am 29. Dezember (das Datum ist offensichtlich gewählt, um das Opfer zu überraschen, während es ahnungslos die
    Kehren zu einer alpinen Ortschaft hinauffährt, womöglich im Schneegestöber, fern von zu Hause, so daß es von der
    Straßenpolizei verhaftet und gefoltert werden kann).
    Das Blatt ermächtigt mich, in Italien zu fahren, aber ich fürchte, es bringt mich in ernsthafte Schwierigkeiten, wenn ich es einem Polizisten im Ausland zeige. Aber Geduld, jetzt fahre ich erst mal wieder. Um es kurz zu machen, im Dezember ist mein
    Führerschein immer noch nicht gekommen, ich stoße auf
    Widerstände, als ich um Verlängerung der provisorischen Fahrerlaubnis ersuche, ich gehe erneut ins Pressebüro der Präfektur, und am Ende habe ich wieder dasselbe Blatt, auf das eine ungelenke Hand geschrieben hat, was ich selbst hätte schreiben können, nämlich daß es bis zum 28. Juni verlängert worden ist (wieder so ein Datum, das mich wehrlos
    überraschen soll, während ich eine sommerliche Küstenstraße
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    entlangfahre). Immerhin wird mir mitgeteilt, man werde, wenn jenes Datum erreicht sei, für eine erneute Verlängerung sorgen, denn mit dem Führerschein werde es noch etwas dauern. Mit gebrochener Stimme erzählen mir Leidensgenossen beim
    Schlangestehen, es gebe Leute, die seit zwei bis drei Jahren auf ihren Führerschein warten.
    Vorgestern habe ich nun die neue Jahresmarke auf das Papier geklebt. Der Tabakhändler hat mir geraten, sie nicht zu entwerten*, denn falls mein Führerschein endlich kommen sollte, müßte ich sonst eine neue kaufen. Aber ich fürchte, mit der Nichtentwertung habe ich ein Delikt begangen.
    An diesem Punkt drei Bemerkungen. Erstens: Daß ich die
    provisorische Fahrerlaubnis nach zwei Monaten hatte, liegt allein daran, daß es mir dank einer Reihe von Privilegien, die ich qua Herkunft und Erziehung genieße, gelungen ist, eine Reihe von Hohen Persönlichkeiten in drei Städten zu
    mobilisieren, Funktionsträger in sechs öffentlichen bzw.
    privaten Anstalten plus einer Tageszeitung und einem
    Wochenmagazin von nationaler Verbreitung. Wäre ich
    Angestellter oder Drogist, müßte ich mir jetzt ein Fahrrad kaufen. Um mit einem Führerschein zu fahren, muß man Licio Gelli sein.*
    Zweitens: Das Blatt, das ich eifersüchtig in meiner Brieftasche hüte, ist ein Dokument ohne jeden Wert, kinderleicht zu fälschen, mithin ist Italien ein Land voller Autofahrer im Zustand problematischer Identifizierbarkeit. Massenhafte Illegalität oder Legalitätsfiktion.
    Die dritte Bemerkung verlangt, daß der Leser

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