Wie man mit einem Lachs verreist
ist, und bitte ihn, mit dem »Inspektorat für
Motorisierung«, das heißt dem Straßenverkehrsamt zu
telefonieren. Er entschließt sich zu einem nicht minder zwielichtigen Schritt und telefoniert direkt mit einer Hohen Persönlichkeit in besagtem Amt, die ihm erwidert, dergleichen Daten könne man niemandem außer den Carabinieri geben. Ich denke, der Leser wird sich darüber im klaren sein, welche Gefahr in der Tat die Behörden liefen, würden sie meine Führerscheinnummer einfach an Hinz und Kunz weitergeben: Ghaddafi und der KGB warten doch nur darauf. Also top-secret.
Ich gehe meine Vergangenheit durch und finde einen anderen Schulkameraden, der jetzt eine Hohe Persönlichkeit in einer öffentlichen Anstalt ist, aber ich lege ihm nahe, sich möglichst nicht an Hohe Persönlichkeiten im Verkehrsamt zu wenden, da
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die Sache gefährlich sei und am Ende gar zu einer
parlamentarischen Untersuchung führen könne. Lieber solle er, rege ich an, eine niedere Persönlichkeit ausfindig machen, vielleicht einen Nachtwächter, der sich bestechen läßt und bei Nacht die Nase in die Archive steckt. Die Hohe Persönlichkeit in der öffentlichen Anstalt hat das Glück, eine mittlere
Persönlichkeit im Verkehrsamt zu finden, die nicht einmal bestochen zu werden braucht, da sie gewohnheitsmäßig den
„Espresso“ liest und aus Liebe zur Kultur sich entschließt, ihrem bevorzugten Kommentator (also mir) diesen gefährlichen Dienst zu erweisen. Ich weiß nicht, was diese kühne Person
unternimmt, Tatsache ist jedoch, daß ich am nächsten Tage die Nummer des Führerscheins habe. Eine Nummer, die der Leser mir erlauben wird, hier nicht zu enthüllen, denn ich habe Familie.
Mit der Nummer (die ich mir jetzt überall notiere und, im Blick auf künftige Diebstähle oder Verluste, in Geheimfächern aufbewahre) überwinde ich weitere Schlangen im Amt für
Straßenverkehr zu Mailand und schwenke sie vor den
mißtrauischen Augen des Beamten am Schalter. Dieser
eröffnet mir mit einem Lächeln, das nichts Menschliches mehr hat, ich müsse auch die Nummer des Vorgangs angeben, mit welchem seinerzeit in den fünfziger Jahren die Behörden in Alessandria meine Führerscheinnummer den Behörden in
Mailand mitgeteilt hatten.
Erneute Telefonate mit Schulkameraden, die unselige mittlere Persönlichkeit, die schon so viel riskiert hat, macht sich ein weiteres Mal auf die Socken, begeht ein paar Dutzend Delikte, entwendet eine Information, nach der, wie es scheint, die Carabinieri lechzen, und läßt mich die Nummer des Vorgangs wissen. Eine Nummer, die ich hier gleichfalls nicht offenbare, denn bekanntlich haben die Wände Ohren.
Ich begebe mich wieder ins Mailänder Amt für Straßenverkehr, brauche nur ein paar Tage Schlange zu stehen und bekomme das Versprechen, in zwei Wochen das magische Dokument zu erhalten. Der Juni geht bereits seinem Ende entgegen, da erhalte ich ein Papier, auf dem mir bestätigt wird, daß ich einen
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Antrag auf Ausstellung eines Führerscheins gestellt habe.
Natürlich gibt es kein Formular für verlorengegangene
Führerscheine, das Papier ist ein »provisorischer«
Führerschein, wie er bei uns für Anfänger ausgestellt wird, die erst noch üben müssen, bevor sie den richtigen Führerschein kriegen. Ich zeige es einem Schutzmann und frage ihn, ob ich damit fahren dürfe. Sein Blick erstarrt, der brave Beamte gibt mir zu verstehen, falls er mich damit am Steuer erwischen sollte, würde ich bereuen, jemals geboren zu sein.
Tatsächlich bereue ich und kehre zum Ufficio Patenti zurück, wo ich nach ein paar Tagen erfahre, daß mein Papier
sozusagen ein Aperitif war: Ich müsse warten, bis ich ein anderes Papier bekäme, in dem mir bescheinigt würde, daß ich meinen Führerschein verloren hätte und fahren dürfe, bis ich den neuen bekommen würde, da die Behörden inzwischen
ermittelt hätten, daß ich den alten besessen hatte. Also genau, was längst alle wissen, von der niederländischen Polizei bis zum Präsidium in Mailand, und was auch die Mailänder
Führerscheinausstellungsbehörde weiß, nur will sie es nicht klar sagen, bevor sie erst noch eine Weile darüber nachgedacht hat. Man beachte, daß die Behörde alles, was sie in Erfahrung zu bringen wünschen könnte, schon weiß und daß sie nichts weiter erfahren wird, mag sie auch noch so lange darüber nachdenken. Aber Geduld. Gegen Ende Juni erkundige ich
mich wiederholt nach dem Schicksal des Papiers Nummer zwei, aber
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