Wie man seine durchgeknallte Familie überlebt - Rick ; Bd.1
fand. Viel mehr weiß ich von ihr aber nicht. Nur dass sie genauso blonde Haare hatte wie ich. Und dass sich ihr Lachen so krächzend wie meins angehört haben soll. Keine Ahnung, ob das stimmt. Ich kann mich nicht an sie erinnern. Sie ist gestorben. Kurz nach meiner Geburt.
Ein paarmal hat Pa es mit einer
neuen Mutter
für mich versucht. Aber ich will überhaupt keine neue. Schließlich habe ich schon eine. Und mehr als
eine
Mutter kann man doch wohl nicht haben, oder?!
Außerdem ist da ja noch Mary, die nur eine Straße weiter wohnt. Sie ist meine Oma und heißt eigentlich Marianne. Aber ich nenne sie Mary, das gefällt ihr besser und mir auch. Und dann wären da außer Pa und Wutz natürlich noch die Young Indians. Zwei von ihnen gehen in meine Klasse. Tobi und Nelly – und bis vor Kurzem auch Chrissy.
Mit Chrissy bin ich richtig dick befreundet. Wir sind sogar Blutsbrüder. Echt wahr! So richtig mit in die Finger schneiden und dann das Blut vermischen.
Überhaupt kann man mit Chrissy lauter coole Sachen machen. Er ist nämlich der verrückteste Junge, den ich kenne. Und wild ist er. Und vorlaut. Und unerzogen. Undmanchmal richtig frech. Das hat jedenfalls unsere Klassenlehrerin Frau Püttelmeyer immer zu ihm gesagt. Einmal hat sie sogar mitten im Unterricht geschimpft, er wäre schwer erziehbar.
Schwer erziehbar. Wie sich das anhört. Als ob sie über Marys französische Bulldogge Helena redet, die das Stöckchen mal wieder nicht holen will.
Aber Frau Püttelmeyer regt sich sowieso über alles auf. Sie findet es auch voll blöd, dass ich in einer Männer-WG wohne – so ganz ohne Mutter. Das hat sie jedenfalls mal zu Pa gesagt. Natürlich nicht
blöd
. Frau Püttelmeyer sagt niemals
blöd
.
Mann, hat der sich aufgeregt, als er Wutz und mir später davon erzählt hat. Sein Gesicht und Hals waren von roten Flecken übersät. Das passiert immer, wenn er sich über etwas ärgert – oder wenn er obernervös ist.
Wie in den letzten Osterferien, als er mir unbedingt diese komische Martina vorstellen wollte. Rechtsanwältin war die. Und angeblich
rein zufällig
in dem Hotel, in dem wir wohnten.
Ich habe Pa natürlich sofort durchschaut. Zumal sein halber Körper von leuchtend roten Flecken übersät war. Der sah original aus wie nach ’ner unglücklichen Begegnung mit ’ner Feuerqualle.
Echt. Lügen kann mein Pa schon mal gar nicht.
Martina fand ich auf der Stelle bescheuert. Und zwar so richtig. Die hat mit mir geredet, als ob ich ein Baby wäre.
Magst du eine Kugel Eis? Wollen wir nachher zusammenein bisschen Ball spielen? Gehst du gerne in die Schule?
Hilfe! Die hat gelabert und gelabert und gelabert.
Ich habe der natürlich nicht geantwortet. Mit so einer quatsche ich doch nicht! Die hatte Fingernägel wie Minischaufeln. Und gestunken hat die wie schleimiges Otternasenpüree. Voll übel.
Pa meinte, das sei kein Gestank, sondern ein teures Parfüm. Na ja, das hätte sie mal besser direkt ins Klo gekippt.
Wie gut, dass die Stinkbombe schnell wieder das Interesse an Pa verloren hat. Angeblich hatte sie keine Lust, sich länger mit so einem unerzogenen Bengel wie mir herumzuärgern. Prima – das beruhte auf Gegenseitigkeit!
Jedenfalls hatte Pa voll die roten Flecken am Hals, als er Wutz und mir von dem Gespräch mit Frau Püttelmeyer erzählte. Aber Wutz hat nur breit gegrinst und gemeint, die wäre bestimmt neidisch, weil mit ihr garantiert keiner in eine WG ziehen würde. Und damit hat er hundertprozentig recht. Mit der hält es niemand freiwillig aus.
Wutz ist übrigens auch bei der Polizei. Bei einer supergeheimen Spezialeinheit. Da geht es so geheim zu, dass er kein Sterbenswörtchen davon erzählen darf.
Er ist nämlich ein echter
Undercoveragent
. Aber das darf natürlich niemand wissen. Und deshalb erzähle ich auch niemandem davon.
Zumindest normalerweise nicht. Bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen.
Okay, ihr habt mich durchschaut: Alle meine Freunde wissen davon.
Aber ist ja auch egal. Mein Leben in der Männer-WG ist auf jeden Fall einfach nur genial (obwohl Pa vor einigen Monaten
Die-10-WG-Gebote
von innen an die Klotür und von außen an den Kühlschrank gepinnt hat). Und es gab eigentlich auch keinen Grund, dass sich daran etwas ändern sollte. Keinen. Absolut keinen!
Doch dann kam der Tag, an dem mir die knallblöde Püttelmeyer meinen Aufsatz über Vorbilder zurückgab.
Ich war mir ganz sicher, dass ich mindestens eine Zwei dafür bekommen würde. Doch als ich mein Heft
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