Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen
Beispiel nicht mehr nur in der Box, sondern auch in der Stallgasse koppt. Oder wenn es beim Satteln nicht nur unwirsch die Ohren anlegt, sondern ernsthaft zu treten beginnt. Um dem Pferd Leid zu ersparen, müssen wir alle genauer hinsehen, denn Frustration und Stress im Pferdeleben haben viele Gesichter.
Die Grundrechte der Pferde
Die Grundrechte der Pferde
Psychische Störungen sind Reaktionen auf Verletzungen der Grundbedürfnisse. Pferde streben im Leben nach Orientierung und müssen sich in ihrem Leben zurechtfinden können. Daher ist es wichtig, die Lebensbedingungen möglichst konstant zu halten oder ein Pferd behutsam auf neue Situationen vorzubereiten. Ständige Stall- und Herdenwechsel und häufige neue Bezugspersonen bereiten Pferden enormen Stress. Sicher lässt sich ein Umzug nicht immer vermeiden, doch sollte man die Vor- und Nachteile für das Pferd gründlich abwägen. Es muss 24 Stunden eines jeden Tages in der von uns gewählten Haltungsform verbringen – daher sollte das Beste gerade gut genug sein. Unverzichtbar ist, dass alle Grundbedürfnisse vom Futter über die Gruppenzusammensetzung bis hin zum Platzbedarf so naturnah wie möglich gestaltet sein sollten.
Orientierung bieten wir dem Pferd auch dadurch, dass wir uns für eine einzige Trainingsmethode entscheiden. Konsequent sein bedeutet für das Pferd vorhersehbar sein. Was heute erlaubt ist, sollte nicht morgen verboten werden. Wir verwirren unsere Pferde und machen sie unsicher oder sogar unglücklich, wenn wir nicht ein vertrautes Lernumfeld schaffen.
Frische Luft, Bewegung und Kontakt zu Artgenossen sind Grundbedürfnisse des Pferdes, die erfüllt sein müssen, damit es sich wohlfühlen kann.
Jedes Pferd braucht die Erfahrung, selbst Kontrolle über sein Leben haben zu können. Nun kann es im täglichen Umgang mit dem Menschen sicher nicht ständig bestimmen, was es als nächstes tun möchte. Deshalb müssen wir unser Pferd motivieren, damit es Lust verspürt, mit uns zusammenzuarbeiten und damit es das Gefühl hat, selbst entscheiden zu können. Vorsichtig sollte man bei Methoden sein, die eine unbedingte Abhängigkeit des Tieres vom Trainer fordern. Das Tier wird in seiner Selbstbestimmung stark eingeschränkt, eine psychische Schwächung des Tieres wird daraus resultieren. Daher ist kreativen Ausbildungsmethoden wie zum Beispiel dem Clickertraining der Vorzug zu geben.
Roundpen – alles andere als gewaltfrei
Was passiert eigentlich bei den beliebten Trainingsmethoden im Round-Pen? Es wird eine Drohkulisse aufgebaut, um eine Bewegung des Pferdes zu provozieren. Gleichzeitig wird das Pferd durch den Zaun des Roundpens in seinen Bewegungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Die Ausweglosigkeit dieser Situation erzwingt die erwünschte Reaktion des Pferdes. Außerdem verwenden solche Trainer eine Technik des Ignorierens, wenn sie gerade keine aktiven Forderungen an das Tier stellen. Dauerignorieren und Ausüben von Druck entspricht dem Mobbing unter Menschen.
Zunächst scheinen diese Methoden keine negativen Folgen zu haben. Die Pferde werden scheinbar sehr anhänglich und fügsam, sie „funktionieren“ fantastisch. Jedoch hat hier keine Intensivierung der Bindung stattgefunden, sondern im Gegenteil eine schwere Verletzung des Bindungsbedürfnisses. Wir beobachten bei diesen Pferden ein unsicher-ambivalentes Bindungsmuster, häufig ist eine Mischung aus Meideverhalten, Abwehrverhalten, Calming Signals und Erstarrung.
Dieses Phänomen wurde in ähnlicher Form bei Menschen beschrieben, die über einen längeren Zeitraum in einem Spannungsfeld von Bedrohung und totaler Missachtung leben mussten. Diese menschlichen Opfer wirkten antriebslos, aber trotzdem kooperativ und zeigten paradoxerweise sogar Sympathie für ihre Peiniger. Auch Pferde zeigen diese Verhaltensweisen und sehen sich gezwungen, ihre eigene Persönlichkeit aufzugeben. So haben die Besitzer mit diesen Pferden keine Probleme, doch leider haben die Pferde ein Problem mit ihrem Leben.
Verhaltensgestört?
Verhaltensgestört?
Wie Zootiere zeigen auch manche Pferde echte Verhaltensstörungen. Sie koppen den ganzen Tag ununterbrochen, schwanken beim Weben von einer Seite zur anderen oder verstümmeln sich selbst. Dies alles sind Verhaltensweisen, die bei „normalen“, in Freiheit aufgewachsenen Pferden in diesem ungewöhnlichen Ausmaß noch nie beobachtet wurden. Im Extremfall sind die betroffenen Pferde nicht mehr in der Lage, sich um ihr eigenes
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