Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition)
ihn zurückhielt.
“Brauchen Sie vielleicht Hilfe?”, fragte er. “Ich bin sicher, jeder hier ist gern bereit, Sie bei der Suche nach der Kleinen zu unterstützen.”
Mårten zögerte nur kurz. “Also gut”, sagte er. “Dann teilen wir uns am besten auf.”
“Mama? Mama, wo bist du?”
Suchend drehte Janna sich im Kreis, doch um sie herum waren nur Bäume. Wäre sie doch nur bei ihrer Tante geblieben! Aber sie hatte solche Sehnsucht nach ihrer Mama gehabt, und als sie aus dem Gespräch der Erwachsenen aufschnappte, dass ihre Mutter sich im Schlosspark aufhielt, war sie einfach losgerannt, um sie zu suchen. Im Park gab es weite Wiesen und Springbrunnen, aber auch Seen und richtige kleine Wälder. Und in einem davon hatte sie sich hoffnungslos verlaufen.
“Mama!”, rief sie erneut, und Tränen strömten ihr übers Gesicht. Hier im Wald war es dunkel und unheimlich. Durch die Kronen der hohen Eichen und Kastanien fiel nur spärliches Sonnenlicht. Hinzu kam, dass das Unterholz immer dichter wurde. An einem Dornenstrauch hatte sie sich den Ärmel ihres hübschen Kleidchens aufgerissen, das sie als Blumenmädchen auf der königlichen Hochzeit tragen sollte, und einer ihrer Spitzenhandschuhe war irgendwo verloren gegangen.
Bei dem Gedanken daran, dass sie in einem schmutzigen und kaputten Kleid vor die Prinzessin treten sollte, weinte sie noch bitterlicher.
Alle würden über sie lachen. Ganz besonders Hannes, der Junge aus dem Kindergarten, der sich ohnehin immer über sie lustig machte, wenn sie sagte, dass sie keinen Papa habe.
“Jedes Kind hat einen Papa”, behauptete Hannes stets. Und obwohl sie es eigentlich besser wusste, gab es Momente, in denen sie sich wünschte, dass er recht hatte.
Jetzt war einer dieser Momente …
Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie ganz in der Nähe ein lautes Knacken hörte. Kurz darauf sah sie einen Schatten, der durch das Unterholz huschte.
In Panik schrie sie auf und fing an zu laufen. Sie rannte, so schnell ihre kurzen Beine sie trugen. An einer Wurzel, die aus dem Boden ragte, strauchelte sie, rappelte sich aber sofort wieder auf und stolperte weiter.
Und dann lichtete sich der Wald endlich, und sie konnte sehen, dass sie das Ende fast erreicht hatte.
Noch einmal mobilisierte sie all ihre Kräfte.
Als ihr Fuß plötzlich ins Leere trat, stieß Janna einen erstickten Schrei aus.
Dann fiel sie in einen schwarzen bodenlosen Abgrund.
13. KAPITEL
N och nie im Leben hatte Milla solche Ängste ausgestanden. Sie konnte nur an Janna denken, und die Sorge, dass ihr womöglich etwas zugestoßen sein könnte, schnürte ihr die Kehle zu.
Wo steckst du bloß, Kleines? Geht es dir gut? Fürchtest du dich, so ganz allein da draußen?
Da sie nicht wusste, wo sie mit der Suche beginnen sollte, war Milla einfach ihrem Instinkt gefolgt. Es gab zwei Orte im Park von Kronborg Slott, die Janna ganz besonders liebte: das Parterre d’Eau mit seinen Fontänen und Wasserkaskaden und den weitestgehend naturbelassenen Englischen Garten.
Milla hatte sich für die zweite Möglichkeit entschieden.
“Janna?”, rief sie laut, in der Hoffnung, dass ihre Tochter sie vielleicht hörte. “Janna, bist du hier irgendwo? Sag doch etwas!”
Als sie keine Antwort erhielt, sank ihr Mut. Das alles war ganz allein ihre Schuld! Sie hätte Janna niemals so lange in der Obhut ihrer Schwester zurücklassen dürfen. Was war sie bloß für eine Mutter? Wenn Janna etwas zugestoßen war, würde sie sich das nie im Leben verzeihen!
Verzweifelt blickte sie sich um. Sie wusste einfach nicht, in welche Richtung sie sich wenden sollte. Allein der Gedanke, dass ihre Kleine vielleicht in höchster Gefahr schwebte, während sie völlig kopflos durch die Gegend lief, ließ Panik in ihr aufsteigen.
Warum war sie nicht bei Mårten geblieben? Er wusste sicher, was zu tun war. Außerdem wirkte seine Nähe tröstlich und beruhigend auf sie. Sie wünschte ihn sich so sehnlich an ihrer Seite, dass es beinahe weh tat.
“Janna!”, versuchte sie es erneut. “Wo steckst du, mein kleines Mädchen? Ich …”
Sie verstummte, als sie im hohen Gras etwas Helles liegen sah. Als sie es aufhob, erkannte sie sofort Jannas Handschuh.
Ihr Herz klopfte heftiger. Ihre Tochter war offensichtlich irgendwo in der Nähe. Aber warum antwortete sie nicht?
Kurz hinter der Stelle, wo der Handschuh gelegen hatte, begann ein kleines Waldstück. Ohne lange nachzudenken, drang Milla in das gedämpfte Zwielicht ein, das unter den
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