Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition)
stehen und lauschte angestrengt. Da! Da war es wieder, er hatte es sich also nicht bloß eingebildet. Er war davon überzeugt, dass es sich um Milla handelte. Sie musste irgendwo ganz in der Nähe sein. Aber wo?
Mårten blickte sich um und unterdrückte einen Fluch. Nichts zu sehen außer Bäumen, Gras und noch mal Bäumen. Dabei konnte sie nicht allzu weit entfernt sein.
“Milla?”
Er folgte ihren Rufen und trat in ein kleines Waldstück. Den Rand der Grube entdeckte er erst, als er direkt davor stand. Die Erleichterung, die er verspürte, als er Milla und Janna am Grund des Schachts erblickte, ließ sich mit Worten kaum beschreiben.
“Jetzt wird alles gut”, rief er ihnen zu. “Ihr braucht keine Angst mehr zu haben!”
Milla hätte vor Glück weinen können, als Mårtens Gesicht plötzlich oben am Rand des Brunnenschachts auftauchte. “Sieh mal!”, sagte sie und fuhr Janna, die sich fest an ihre Seite klammerte, beruhigend durchs Haar. “Es ist Hilfe da, mein Schatz. Jetzt kommen wir gleich hier raus.”
“Geht es euch beiden gut?” Besorgt schaute Mårten zu ihnen hinunter.
“Wir sind mit dem Schrecken davongekommen”, antwortete Milla. “Und außerdem heilfroh, dich zu sehen.”
Er lächelte, und zu ihrem Erstaunen verfehlte sein Lächeln auch in dieser unerfreulichen Situation nicht seine Wirkung. “Das gilt auch umgekehrt. Aber ich fürchte, ich werde Hilfe brauchen, um euch da unten rauszubekommen.”
“Bitte geh nicht weg!”
“Nein, keine Sorge.” Er schüttelte den Kopf. “Ich bin sofort wieder bei dir. Ihr werdet Augen machen, wenn ihr seht, wie vielen Menschen euer Wohlergehen am Herzen liegt!”
Tatsächlich verschwand er nur kurz aus Millas Sichtfeld, und sie konnte ihn ein Stück entfernt nach Unterstützung rufen hören. Insgesamt war er vielleicht eine Minute fort, doch ihr kam es wie eine Ewigkeit vor. Und sie atmete erleichtert auf, als er zurückkehrte.
Wenig später erschienen weitere Menschen am Rand der Grube. Milla entdeckte ihre Schwestern und ihre Eltern, aber auch ein paar unbekannte Gesichter. Sie alle sprachen Janna und ihr Trost zu, doch die Person, nach der Milla sich am meisten sehnte, war Mårten.
Es dauerte noch ein paar Minuten, dann wurde ein Seil in den Schacht herabgelassen, und Mårten kam zu ihnen hinuntergeklettert. “Euch geht es wirklich gut?”, versicherte er sich noch einmal.
Milla, die Janna auf dem Arm hielt, nickte. “Wir sind okay.”
Fragend schaute er sie an. “Schaffst du es, allein hochzuklettern?”
“Ja, schon, aber …”
“Ich kümmere mich um Janna”, erwiderte er fest. “Vertraust du mir?”
Sie atmete einmal tief durch. “Ja”, sagte sie dann. “Janna ist das Kostbarste, was ich im Leben habe. Bitte pass gut auf sie auf.”
Zu ihrer Überraschung wehrte Janna sich nicht, als sie sie an Mårten weiterreichte. Stattdessen schaute die Vierjährige ihn aus großen Augen an. “Ich mag dich”, sagte sie ernsthaft. “Du hast Mama und mich gerettet. Willst du vielleicht mein Papa sein?”
Die Worte ihrer Tochter gingen Milla unter die Haut. Sie begegnete Mårtens Blick, in dessen Augen dieselbe Frage stand, die auch ihr durch den Kopf ging. Doch jetzt war nicht der richtige Moment, um darüber nachzudenken. Zuallererst mussten sie einmal aus dieser schrecklichen Grube heraus.
Milla brauchte zwei Anläufe, dann hatte sie es geschafft. Helfende Hände streckten sich ihr entgegen und zogen sie das letzte Stück über den Grubenrand. Dann waren Mårten und Janna an der Reihe. Milla atmete erst auf, als sich auch die beiden Menschen, die sie auf der Welt am meisten liebte, in Sicherheit befanden.
Tränen strömten ihr über die Wangen, doch als sie Mårten nun gegenüberstand, fühlte sie sich plötzlich seltsam unsicher. Würde er ihr vergeben und ihr noch eine zweite Chance geben? Sie wusste es nicht, aber sie musste es wenigstens versuchen, sonst würde sie es für den Rest ihres Lebens bereuen. Ihr großer Plan, nach England zu gehen, erschien ihr plötzlich unwichtig, solange sie nur mit Mårten zusammen sein konnte. Ja, sie wusste nicht einmal, ob sie Schweden überhaupt noch verlassen wollte.
“Du hast gehört, was Janna vorhin gesagt hat”, flüsterte Milla. Sie senkte den Blick. “Und genau dasselbe wünsche ich mir auch.” Ihre Stimme wurde lauter, verzweifelter. “Ich liebe dich, Mårten. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Unverzeihliche Fehler möglicherweise. Aber bitte, lass es uns noch
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