Wie Sie Ihre Ehe retten ohne Ihren Mann umzubringen - Guter Rat in 13 Kapiteln
väterlicherseits waren über sechzig Jahre miteinander verheiratet. Meine Großeltern mütterlicherseits hätten wohl ebenfalls einen solchen Meilenstein erreicht, wenn mein Großvater nicht mit Mitte fünfzig gestorben wäre. Meine Eltern waren nun schon über vierzig Jahre zusammen, die von Mark genauso.
Im Gegensatz zu meinem erfundenen Todesfallszenario war mein Scheidungsszenario nicht ganz so unrealistisch. Es war ein Fluchtplan: Mark und ich teilen uns das Sorgerecht für unsere Tochter. Er erklärt sich einverstanden, seine Spareinlagen aufzulösen, ich die meinen. Mit den anderen Vermögenswerten machen wir halbe-halbe. Er behält das Wasserbett. Ich nehme das französische Bett aus dem Gästezimmer. Er kriegt die Ledersofas. Ich dafür den Esstisch und die Kunstgegenstände. Den Grill kann er meinetwegen haben.
Ich nehme den Hund, wobei wir uns da notfalls auch zeitlich absprechen können. Unseren Hund lieben wir beide sehr.
Ich hatte mir vorgenommen, solange an meiner Ehe festzuhalten, bis der Gedanke an Scheidung mich mit jedem Tag verfolgt. Solange, bis mir die Gewissheit, die Hälfte unserer Pensionsgelder an meinen Ex zu verlieren, weniger zu schaffen macht als die, mit einem Mann verheiratet zu bleiben, der mich offenbar nicht mehr liebt. Solange, bis mir eine Trennung für unsere Zweieinhalbjährige besser erscheint als ein zerrüttetes Zuhause mit zwei Eltern, die nie ein Lächeln füreinander haben. Solange, bis mir die Vorstellung, meinen Eltern von unserer bevorstehenden Trennung zu erzählen, weniger ausmacht als die, auf Familienfeiern noch länger gute Miene machen zu müssen.
Am Muttertag sollte sich alles ändern: An jenem Tag fuhr ich abends nach New York City, wo ich mit meiner besten Freundin Deb zum Essen verabredet war. Deb ist groß, eine brünette Schönheit mit lockigem Haar. Sie war gerade für eine Konferenz in der Stadt. Ich hatte sie vor Jahren in einem Buchclub kennengelernt. Beide verdienten wir unser Geld als freiberufliche Autorinnen für medizinische Fachtexte. Und beide waren wir echte Workaholics und gründeten im Laufe der Jahre eine informelle Selbsthilfegruppe für freiberufliche Schreiberlinge aller Branchen. Sie und ich waren die einzigen Mitglieder. Egal, wie niedergeschlagen und schlecht gelaunt ich zu einer Verabredung mit Deb kam, hinterher fühlte ich mich jedes Mal wohler und leichter.
Deb musste mich nur ansehen und wusste Bescheid, sie konnte mir die Gedanken vom Gesicht ablesen. Immer wenn sie mich sagen hörte: » Alles prima. Alles bestens«, sagte sie trocken: » Erzähl keinen Unsinn. Sag, was Sache ist.« Sie hörte mir solange zu, wie ich brauchte, um alles rauszulassen, was sich angestaut hatte, und stellte mir dann meist nur eine einzige Frage, die mich jedes Mal sprachlos machte.
» Wahre Freunde erzählen dir nicht, was du gerne hören willst. Nein. Sie scheuen sich nicht, Klartext mit dir zu reden.«
Wir saßen an der Bar bei einem Aperitif und warteten auf unseren Tisch. Als wir schließlich Platz genommen hatten, ließen wir uns beide ein großes Glas Wein kommen, dazu Käse. Kurz bevor wir den letzten Tropfen geleert und den letzten Bissen gegessen hatten, beschlossen wir, eine ganze Flasche Wein zu bestellen. Deb schrieb im Internet einen Wein-Journal-Blog und hatte bereits etliche Bücher rund um das Thema Wein verfasst. Weil sie sich gerade nicht zwischen zwei Weinen entscheiden konnte, zog sie ihr Handy aus ihrem Täschchen und rief Keith an, ihren Mann, der sich mit Weinen noch besser auskannte als sie selbst.
Ich lauschte der kleinen Unterhaltung und beobachtete, wie meine Freundin gestikulierte und lächelte. Ich dachte an meine eigene Ehe. An mein Handy. Daran, dass es seit Stunden, seit meinem Eintreffen hier im Restaurant, unbewegt in meiner Tasche lag. Ich hatte meinen Mann nicht angerufen, um ihm zu sagen, dass ich gut angekommen war. Oder um zu hören, wie es ihm ging. Ich hatte nicht ein einziges Mal an ihn gedacht.
Deb hingegen erzählte Keith von ihrer Konferenz, von ihrem Hotel, von dem Restaurant. Sie redeten miteinander, als hätten sie sich seit Wochen nicht gesehen. Als hätten sie einander so viel zu erzählen, dass sie locker die ganze Nacht durchquatschen könnten, einschlafen und wieder aufwachen und sich noch immer etwas zu erzählen hätten.
Und ich? Ich würde Mark nicht anrufen. Nicht jetzt. Nicht später. Ich hatte Angst, seine Stimme zu hören, die unfroh darüber klang, dass ich mich meldete. Die sich
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