Wie Sommerregen in der Wueste
Nachmittag. Sie werden einige Stunden in Anspruch nehmen.«
»Ich möchte sie sehen.« Craig warf Jessie einen entschuldigenden Blick zu. »Ich muss sie sehen.«
»Sie ist nicht bei Bewusstsein«, erklärte der Arzt. »Und Sie müssen es kurz machen.«
»Lassen Sie mich sie nur einmal sehen.«
Craig wusste nicht, was schlimmer war: diese Stunden des Wartens voller Unsicherheit oder Amy zu sehen, so bewegungslos, so bleich, so voller Wunden und Abschürfungen und so durch Schläuche mit einer Reihe kalter Apparate verbunden.
Er nahm ihre Hand, und sie war kalt. Aber er fühlte den Puls in ihrem Handgelenk, der auf dem Monitor neben ihrem Bett widerhallte.
Hier gab es keine Privatsphäre. Sie wird das hassen, dachte er. Nur eine Glaswand trennte sie von den ruhigen Arbeitsbewegungen des medizinischen und technischen Personals der Intensivstation. Man hatte ihr ein Nachthemd angezogen. Er empfand die Vorstellung unerträglich, dass Dutzende es vor ihr getragen hatten.
Sie war so blass. Immer wieder drängte sich ihm dieser Gedanke auf, obwohl er sich bemühte, seine Gedankentätigkeit auf andere Dinge zu konzentrieren. Das verwaschene Nachthemd, das Piepen des Monitors, das Hin und Her hinter der Glasscheibe.
Wo mochte sie jetzt wohl sein? Er hielt ihre Hand. Er wollte nicht, dass sie sich zu weit entfernte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, um sie ihm näher zu bringen.
»Sie wollen nicht, dass ich hierbleibe, Rotschopf, aber ich werde im Wartezimmer warten, bis du aufwachst. Lass mich nicht zu lange warten. Du kommst durch, okay? Sie wollen noch einige Tests machen, aber das bedeutet nichts weiter. Du hast einen hässlichen Schlag auf den Kopf bekommen, das ist alles.«
Er betete, dass das alles sein möge.
Er schwieg und zählte die eintönigen Pieptöne vom Monitor.
»Ich habe mir gedacht, wir könnten unsere Reise an die Ostküste machen, sobald du hier entlassen wirst. Du kannst deine Bräune pflegen und mit mir über Stressfaktoren streiten.« Unwillkürlich verstärkte er den Druck seiner Finger. »Aber, um Himmels willen, Amy, du darfst mich nicht verlassen.«
Er glaubte – vielleicht war es aber auch nur eine Wunschvorstellung –, dass ihre Finger ganz kurz einen Druck ausübten.
»Du brauchst etwas Schlaf, Craig.«
Seit zwanzig Minuten hatte Craig auf denselben Artikel in der Zeitung gestarrt. Jetzt sah er auf und erblickte Nathan, seinen Geschäftspartner, der mit seiner Frau Jackie sofort gekommen war, nachdem er von dem Unglück gehört hatte. Nach ihrer Ankunft waren sie als Erstes ins Krankenhaus geeilt und hatten sich anschließend ein Hotelzimmer genommen.
»Was machst du denn schon wieder hier?«
»Meine Füße neben deinen ausstrecken.« Nathan setzte sich zu Craig auf die Couch. »Ich habe Jackie im Hotel gelassen. Wenn ich sie bei meiner Rückkehr nicht davon überzeugen kann, dass du dich schlafen gelegt hast, besteht sie sicher darauf, selbst zu kommen.«
»Es geht mir besser, als es den Anschein hat.«
»Dann geh wenigstens eine Kleinigkeit mit mir essen.«
»Ich will Dr. Bost nicht verpassen.« Craig lehnte sich zurück und schloss die Augen.
»Wie wäre es dann mit einer Zusammenfassung der neuesten Ereignisse um Thornway?«
Craig öffnete die Augen. »Als er hörte, dass du und Amy während der Explosion auf der Baustelle wart, ist er zusammengebrochen und hat ein volles Geständnis abgelegt. Er hat den Materialtausch zugegeben, die Zahlungen und Schmiergelder. Er behauptete, betrunken und in einem Anfall von Panik gewesen zu sein, als du und Amy ihm die Wahrheit auf den Kopf zu gesagt habt. Er hat die Brandstiftung in die Wege geleitet, in der total verrückten Annahme, niemand könne ihm mehr etwas beweisen, wenn der ganze Bau zerstört ist.«
»Hat er nicht an eine Untersuchung gedacht? Hat er gemeint, wir würden einfach Stillschweigen über die Angelegenheit wahren?«
»Offensichtlich hat er überhaupt nicht gedacht.«
»Nein.« Zu erschöpft, um Wut zu empfinden, blickte Craig hinüber, wo Jessie an Barlows Schulter schon vor einiger Zeit eingenickt war. »Und weil er nicht gedacht hat, musste Amy fast sterben. Selbst jetzt kann sie noch …« Er konnte nicht weitersprechen. Er konnte nicht einmal daran denken.
»Er wird einige Jahre dafür büßen müssen.«
»Immer noch auf den Beinen, Mr Johnson?« Der junge Arzt kam herein. Er sah aus, als hätte er sich gerade in irgendeinem Eckchen aufs Ohr gehauen. »Ich bin Dr. Mitchell«, erklärte er Nathan.
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