Wie Tau Auf Meiner Haut
geradezu absolute Einsamkeit wurde
ihr quälend bewusst. Dann schloss er die Augen. Plötzlich war sie bei ihm, lag
nackt in seinen Armen, während er sie liebkoste und zärtlich an ihren Brüsten
saugte. Grace zitterte bei der Erinnerung, die viel mehr als nur eine Erinnerung
war.
Sie lag auf einer Bank, während er sich über sie beugte und mit angespanntem
Gesicht wieder und wieder in sie eindrang. Verlangend schlang sie die Arme um
seinen Hals und hätte vor Wollust fast geweint. Und dann: nichts. Er war weg,
der Traum vorbei. Nur sein gemurmeltes »Wo bist du denn, Mädchen« hallte wie
ein Echo in ihrer Seele. Es schien ihr fast, als hätte sie dort sein, seine Wunde
pflegen können und ihm den Trost geben können, den Frauen allen Kriegern
entgegenbringen. Sie verspürte einen Anflug von Bedauern, dass sie nicht bei
ihm sein konnte.
Sie sah sein Bild klar und deutlich vor sich. Er saß mit dem Rücken zum Feuer.
Das goldene Licht schimmerte auf seinen nackten, muskulösen Schultern und
umrahmte wie ein Heiligenschein sein langes, schwarzes Haar. Eben solch
schwarzes Haar bedeckte seine Brust und führte in einer schmalen Linie über
seine waschbrettartige Bauchmuskulatur bis hin zu seinem kleinen Nabel. Seine
langen Beine waren muskulös. Es waren die kräftigsten Beine, die sie jemals
gesehen hatte. Lebenslange Übung mit Schwert und Axt hatte sie gestählt. Er
konnte allein mit der Kraft seiner Schenkel einem mächtigen Hengst die Richtung
weisen, während er über hundert Pfund an Rüstung trug und dabei auch noch
kämpfte. Er war durch und durch ein Krieger, und sein Körper selbst war seine
Waffe.
Dennoch war er ganz einfach nur ein Mann, dachte sie mit beinahe schmerzlicher
Zärtlichkeit. Er blutete, er litt Höllenqualen, er betrank sich alleine in seiner
Kammer und grübelte darüber nach, warum irgendeine Frau ihn nicht beachtete.
Denn es war einzig ihre Vorstellung, dass sie glaubte, er habe mit ihr
gesprochen.
Wenn er doch... wenn sie noch bei ihm wäre... Sie würde ihn bequem auf das
Bett legen. Er hatte bestimmt noch etwas Fieber, ein kaltes Tuch auf der Stirn
würde ihm sicher gut tun. Sie zweifelte allerdings nicht daran, dass er ein
unbequemer Patient sein würde. Anstatt sich auszuruhen, würde er darauf
bestehen, dass sie sich zu ihm legte. Und kurz darauf würden seine Hände ihre
Schenkel aufwärts streicheln...
»Verflucht noch mal! « Grace stöhnte und presste ihre Handflächen auf die
Augen. Ihr Atem ging immer noch schnell, und sie fühlte sich warm und
geschmeidig an. Ihre Knospen standen hart hervor und zeichneten sich unter
dem dünnen T-Shirt ab. Es war schon schlimm genug, dass sie Nachts manchmal
von ihm träumte. Aber dass sie sogar oft am helllichten Tage an den Schwarzen
Niall dachte, war ein entsetzlicher Betrug an Ford.
Sie hielt immer noch die Pistole in der Hand. Vorsichtig legte sie sie zurück und
wollte sich wieder ins Bett legen, aber sie war hellwach. Sie warf einen Blick auf
den Wecker. Es war noch nicht einmal elf Uhr, sie hatte erst eine Stunde
geschlafen. Lange genug offensichtlich, dass Niall sich ihres Unterbewusstseins
bemächtigen konnte. Acht Monate lang war sie innerlich vollkommen tot, und so
wollte sie auch weiterhin bleiben. Sie hatte nicht gelacht und weder Sonne noch
Meer noch einen aufkommenden Sturm genossen. Es war einfacher so. Wenn sie
nicht so abgestumpft gewesen wäre, hätte sie gar nicht überleben können. Wenn
sie wieder Leben in sich spürte, würde sie das nur schwächen. In den acht
Monaten hatte sie noch nicht einmal geweint. Sogar die Tränen wurden durch
das sie umgebende Eismeer zurückgehalten. Niall aber war wie ein Riss im Eis.
Eines Tages würde erst die Wand, dann sie selbst zusammenbrechen.
Diese Schwäche durfte sie sich nicht zugestehen. Sie musste sich mit den
gälischen Dokumenten beeilen. Wenn sie damit fertig war, würde auch der
Schwarze Niall aus ihren Gedanken verschwinden. Wenn sie sich irgendwie an
Parrish rächen konnte, würde ihre Seele vielleicht wieder Ruhe finden und
anfangen zu heilen. Ihr Unterbewusstsein würde dann nicht länger in einer
Traumwelt verharren müssen.
An Schlaf jedenfalls war im Augenblick überhaupt nicht zu denken. Sie stöhnte.
Sie hätte sich gut ausruhen müssen, denn morgen wollten Kris und sie sich einen
Weg in das Computersystem der Stiftung bahnen. Dennoch schaltete sie das
Licht an. Ihre Gedanken purzelten durcheinander.
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