Wie Tau Auf Meiner Haut
durch seine Schulter behindert, was ihn noch zorniger machte.
Der Schnee fiel jetzt heftiger und behinderte die wenige, noch vorhandene Sicht.
Sowohl Sim als auch Iver waren in Wartestellung, aber nichts bewegte sich. Niall
grub seine Finger in den Schnee und suchte nach einem Tannenzapfen oder
einem Stein. Selbst ein Kieselstein würde genügen, denn ein leises Geräusch
würde sich als effektiver erweisen als ein lautes.
Er fand einen feuchten, aufgeweichten Tannenzapfen und warf ihn in die
Richtung, aus der der Pfeil gekommen war. Er landete mit einem leisen
Rauschen, als ob jemand versehentlich schneebedeckte Zweige gestreift und
deren Last abgeschüttelt hätte.
Ein Schütze stand hinter einem Felsen mit angespanntem Bogen auf und fixierte
die Zielrichtung. Wieder war ein leise singendes Geräusch zu vernehmen, und
Ivers Pfeil durchbohrte die Kehle des Bogenschützen. Seine plötzlich tauben
Finger ließen vom Bogen ab, und der Pfeil fiel vor ihm in den Schnee. Mit weit
aufgerissenen Augen und auf Zehenspitzen torkelnd, umklammerte er seinen
Hals mit den Händen. Ein ersticktes Gurgeln blubberte durch seine Lippen,
gefolgt von einem Blutsturz. Dann brach er im Schnee zusammen.
Aus der anderen Richtung schoss Sim seinen Pfeil los. Er hatte zwar kein
bestimmtes Ziel, also richtete er ihn auf einen dichten Busch, der sich gut als
Schutz eignete. Seine Vermutung bestätigte sich umgehend, denn ein
Schmerzensschrei durchdrang die kalte Luft.
Niall machte sich die kurze Ablenkung zunutze, um sich erneut zu bewegen. Er
glitt hinter einen Baum und war jetzt dem Feind viel näher als dort, wo ihn der
Pfeil getroffen hatte. Seine weißen Zähne glitzerten, als er den Kopf zurückbog
und einen markerschütternden Schrei ausstieß. Wie ein angreifender Löwe
sprang er aus seiner Deckung auf. Vier Mann fuhren hinter ihrer Deckung hoch,
erschrocken über die blutüberströmte Erscheinung, die sie mit erhobenem
Schwert unter sich zu begraben drohte. Einem der Männer gelang es, sein
Schwert zu zücken. Metall schlug gegen Metall, aber dann wurde der Mann von
Nialls Körpergewicht in die Knie gezwungen. Sim und Iver schossen jeweils noch
einen Pfeil ab, dann sprangen sie ebenfalls laut brüllend vor. Niall stieß den Dolch
zwischen die Rippen seines Gegners, dann drehte er ihn zur Seite, bis er auf die
Knochen stieß. Der Mann bäumte sich auf. Niall wirbelte von ihm weg, wehrte
durch einen halben Kniefall den Angriff eines Mannes ab, während er den
blutigen Dolch hochhob. Das scharfe Metall grub sich in den weichen Bauch. Niall
brauchte den Dolch nur festzuhalten, während der Mann sich dank der
Geschwindigkeit seines Angriffs selbst aufschlitzte. Niall sprang auf die Beine,
aber Sim und Iver hatten bereits ihre Männer zu Fall gebracht. Nur sie drei waren
übrig geblieben und standen leise keuchend und mit dampfendem Haar im
Schnee.
»Wie steht es mit deiner Schulter? « fragte Iver und deutete auf Nialls Wunde.
»Nicht besonders tief. « Das stimmte zwar, aber dennoch brannte sie wie die
Hölle selbst. Niall rannte wutentbrannt auf sein Pferd zu. Jetzt war er sich ganz
sicher, dass sie Artair und Tearlach nicht mehr lebend finden würden. Die
Haymänner hatten es schlau angestellt, hatten sich an die beiden
herangeschlichen und sich dann gut versteckt, bis sie die ihnen zahlenmäßig
unterlegenen Männer überfallen konnten, die Feiglinge.
Wenig später fand er seine Männer. Artair lag auf dem Rücken, seine blauen
Augen starrten blind nach oben. Niall stieg vom Pferd, kniete neben dem alten
Freund nieder und strich ihm über das Gesicht und über die Hand. Er war bereits
kalt, und sein Körper wurde steif. Der Pfeil hatte ihn direkt ins Herz getroffen. Er
hat nicht mehr leiden müssen, dachte Niall und verhüllte Artairs Gesicht mit einer
Decke. Sein Gesichtsausdruck schien beinahe friedlich, als ob er nun endlich ein
Leben verlassen habe, in dem es ohnehin keinen rechten Platz mehr für ihn
gegeben hatte.
»Adieu, mon ami«, flüsterte Niall. Bei den Tempelbrüdern hatten sie ihren
Unterricht auf französisch erhalten. Und in dieser Sprache verabschiedete sich
dann auch Niall von dem letzten seiner Freunde aus jenen Tagen. Jetzt lebten sie
alle nicht mehr, all die Ritter, die auf Creag Dhu Unterschlupf gesucht hatten.
Manche waren auf den Schlachtfeldern von Schottland gefallen, andere waren
eines natürlichen Todes gestorben, wieder andere hatten sich an
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